Die Probe ist kein Picknick
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Der Dirigent muss die Gesamtverantwortung tragen: Daniel Barenboim vor einem Konzert mit der Berliner Staatskapelle in der Pariser Philharmonie. Bild: Lavue/Le Figaro Magazine/laif
Warum ich zu Daniel Barenboim stehe: Ohne Druck erreicht ein Dirigent nur Mittelmaß. Deshalb muss er von seinen Musikern das Höchste verlangen – und kann trotzdem ein Menschenfreund bleiben. Ein Gastbeitrag.
Lassen Sie mich Ihnen zwei kurze Geschichten erzählen.
Es war die dritte szenische Probe für eine Neuproduktion von „Carmen“ in Berlin und ich war zum dritten Mal in Folge zu spät. Bei den ersten beiden Malen hatte ich Witze über mein Zuspätsein gemacht, alle hatten gelacht und die Probe ging weiter. Nicht an diesem Tag. Daniel Barenboim, der – anders als viele seiner Kollegen – bei fast allen szenischen Proben einer neuen Produktion, die er dirigiert, dabei ist, unterbrach die Arbeit im Probenraum. Mit lauter Stimme sagte er mir, vor allen, dass mein Verhalten inakzeptabel sei und dass, wenn ich nicht lernen könnte, die Zeit und Energie der anderen zu respektieren, ich ein großes Problem bekommen würde. Es war totenstill und alle starrten mich an. Ich fühlte mich schrecklich. Ich kam nie wieder zu spät – bis zur ersten Orchesterprobe mit der Staatskapelle. Die Probe hatte pünktlich begonnen und ich war wenige Minuten zu spät. Er unterbrach die Musik und sah mich sehr ernst an. Nervös dachte ich mir irgendeine lustige Geschichte über ein totes Pferd auf der Straße aus, die ich hatte überqueren müssen. „Was habe ich euch gesagt?!“ sagte er zum Orchester. Alle lachten, auch ich.
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