Porträt Susanne Kennedy : Hier ist endlich Ende und absoluter Anfang
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Regiekünstlerin: Susanne Kennedy Bild: Franziska Sinn
Life in plastic, it’s fantastic: Ein Porträt der Regiekünstlerin Susanne Kennedy, die in ihren Arbeiten den hypermodern-digitalen Menschen inszeniert.
Funktionskleidung schützt vorm Sterben nicht, aber vielleicht macht sie es bequemer. In Susanne Kennedys Welten voller glatt polierter Oberflächen, bietet sie den nötigen Halt, um in ihnen ein Dasein zu fristen: In der maximalen Künstlichkeit ihres neuesten Stücks „Ultraworld“, aktuell zu sehen an der Berliner Volksbühne, tragen die Protagonisten in Kostümen von Lotte Goos Sneaker oder Plateausandalen, Heat-Tech-Shirts oder Tropenanzüge mit Kopftüchern. Die Oberflächen, auf denen sie agieren, sind projizierte Animationen: mal digital-gekachelte Wände, mal ein Antikenpalast aus Pixeln, ein Wald oder eine Wüste. Immer sind es eigenartige Menschen, die in Kennedys Stücken umherwandeln: Sie tragen Masken, sprechen ihre Texte im Playback, ihre Gestik und Mimik wirkt wie die eines fehleranfälligen Androiden.
Während die Bühnenräume ihrer letzten Produktionen aussahen wie Werbekampagnen, die sich Nike oder Uniqlo noch nicht ausgedacht haben, bedienten sie zuvor eine andere Ästhetik. In „Fegefeuer in Ingolstadt“ von Marieluise Fleißer, Kennedys erster Inszenierung im deutschsprachigen Raum 2013 an den Münchner Kammerspielen, zeigte sie Szenen der alltäglichen Kleinbürgerlichkeit in einem sterilen Raum. „Warum läuft Herr R. Amok?“, eine Übermalung des Fassbinder Films 2014, spielte in einer ähnlichen, scheinbar banalen Räumlichkeit: Holzvertäfelung, ein Büro oder Wartezimmer mit lebloser Topfpflanze in der Ecke. Lebendiger wirkten auch die Menschen, die ihn bevölkern, nicht: Hier trugen sie Silikonmasken über den Gesichtern und intonierten fremdeingesprochenen Text.
Für beide Stücke gab es aufeinanderfolgende Einladungen zum Berliner Theatertreffen. Susanne Kennedy etablierte sich schnell als eine der spannendsten neuen Stimmen im deutschsprachigen Theaterkosmos und wurde zur Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt. Zuvor hatte sie Regie an der Hoogeschool voor de Kunsten in Amsterdam studiert und an niederländischen Bühnen inszeniert, bis sie von Johan Simons an die Münchner Kammerspiele eingeladen wurde. 2017 wurde sie Teil des künstlerischen Teams unter Chris Dercon an der Berliner Volksbühne und inszeniert dort auch nach dem Intendantenwechsel weiter regelmäßig.
Was bleibt vom Theater übrig, wenn es seiner Essenz beraubt wird? Das ist die Frage, die Kennedys Arbeiten für viele stellen. Genauso könnte es aber auch heißen: Was entsteht im Theater, wenn es seiner Essenz beraubt wird? Ohne dramatischen Text, ohne echte Stimmen, ohne Mimik und Identifikation baut Kennedy ihre Abende auf, basierend auf einer medialen Selbstverständlichkeit: Audio und Video sind bei ihr keine Spielereien, sondern essentielle Zutaten des Geschehens. Sie wolle totales Theater, bekannte die Regisseurin einmal in einem Interview, aber nicht so wie Erwin Piscator es meine, der einen alles vereinnahmenden Raum erdachte, sondern eher wie Antonin Artaud. Die mit ihrem Partner Markus Selg realisierten Arbeiten wollen mit einem überbordenden Stil psychedelische Muster beschwören und sind gekennzeichnet von dem unbedingten Willen, dem Dekor schamanische Kulturgeschichte einzuschreiben durch Runen, Totems, Elemente von Riten. Mit Selg entstanden Arbeiten, die die Trennung zwischen Bühne und Publikum aufheben: „Medea.Matrix“ führte die Zuschauer bei der Ruhrtriennale in einer Prozession durch die Bühneninstallation. „Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll“, hieß es in der neo-esoterischen Ritual-Performance.