Sprechen darf man darüber nicht
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Coronakonformes Konzert des Schweizer Sinfonieorchesters Anfang Juni in Genf. Bild: dpa
In Spitzenorchestern sind psychische Belastungen ein Tabu. Das kann schwerste Folgen haben.
Diskretion gehört zum Geschäft. Kein Schild an dem restaurierten Fachwerkhaus in Hamburgs Innenstadt weist auf die spezielle Praxis im ersten Stock hin. Der Eingang liegt versteckt in einem Innenhof. Patienten wie Herbert M., Solo-Oboist in einem großen Symphonieorchester (Name und Instrument wurden geändert), schätzen die Anonymität. Denn die Branche ist klein. Und wer unter psychischen Problemen leidet, will das nicht auf der großen Bühne verhandeln. Die Musikerambulanz in Hamburg gehört zu einer kleinen Zahl von Angeboten in Deutschland, die Tonkünstlern bei ihren hochspezifischen Leiden helfen. „Wie in kaum einer anderen Berufsgruppe ist die Tätigkeit des Berufsmusikers mit dessen Persönlichkeitskern verknüpft“, sagt Heidi Brandi, Psychologin und Leiterin der Einrichtung in Hamburg. Schließlich starten Laufbahnen im frühen Kindesalter und führen über mühsam erkämpfte Wettbewerbe und ungezählte Probespiele bis in den Orchestergraben.
Auf dem Gebiet der Musikermedizin rückten in den vergangenen Jahren neben körperlichen Verschleißerscheinungen wie Sehnenüberlastungen, Arthrosen und der Musiker-Dystonie (neurologische Bewegungsstörung) die psychischen Belastungen in den Fokus. Das hat gute Gründe: Forscher der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und des Freiburger Instituts für Musikermedizin gehen davon aus, dass die besonderen Anforderungen von Berufsmusikern zu noch größeren psychischen Problemen führen als in der Gesamtbevölkerung. Allein: Es spricht kaum jemand darüber.
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