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Zum Tod von Michael Degen : Der traurige Prinz

Rolle des Lebens: Michael Degen (geboren am 31. Januar 1932 in Chemnitz, gestorben am 9. April 2022 in Hamburg) 2010 als Robert Schuster während einer Probe von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ im Theater in der Josefstadt in Wien Bild: dpa

Vieldeutig hat er seine Figuren angelegt, unfassbar ist, wie er im Nationalsozialismus überleben konnte: Im Alter von 90 Jahren ist der Schauspieler Michael Degen gestorben. Ein Nachruf auf den Künstler, Mahner, Zeitzeugen.

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          Er war ein Schauspieler von melancho­lischer Eleganz. Und ein Mensch mit Haltung. Sensibel, präzise und geschmeidig machte Michael Degen sich seine Figuren zu eigen, denen er stets auch eine beklemmende Unruhe verlieh, sodass uns sein Spiel den Kippmoment ins Finstere nie ganz vergessen ließ. Dabei war sich Degen, der mehr als siebzig Jahre auf der Bühne, im Kino und im Fernsehen zu sehen war, nie zu fein, neben den großen, bedeutsamen Rollen auch jenen aus dem vermeintlich leichten Fach unverwechselbare Kontur zu verleihen.

          Sandra Kegel
          Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.

          Für das hiesige Millionenpublikum un­vergessen ist Michael Degen sicherlich als der mit törichter Eitelkeit ausstaffierte Vice-Questore in Donna Leons Krimi­serie über den venezianischen Commissario Brunetti. Diesen Patta gab Degen als Behördenchef  ohne Autorität, als ei­nen, der nur für die venezianische Galerie der Bestimmer war, weil der geckenhafte Uniformträger in Wahrheit von niemandem ernst genommen wurde, nicht einmal von den Bösen. Vieldeutig hat Michael Degen seine Figuren stets angelegt, er, der allein dreihundert Mal  als Hamlet auf der Bühne stand, der bei den Salzburger Festspielen als Don Juan in der Inszenierung von Ingmar Bergman gefeiert wurde und überhaupt alle großen Bühnenrollen seines Fachs gespielt hat. Und oftmals führten die Stücke und ihre Protagonisten zurück in die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte, den NS-Terror, der aufs Engste mit der Biographie des am 31. Januar 1932 als Sohn jüdischer Eltern in Chemnitz Geborenen verknüpft waren.

          Unter Peter Zadek war Degen der jü­dische Lageraufseher Jens, der in Joshua Sobols Stück „Ghetto“  im ausweglosen Abgrund feststeckt, da er über Leben und Tod befinden muss: Er liefert jüdische Häftlinge an die SS, um andere zu retten. Auch in Taboris „Kannibalen“ wirkte Degen mit, jenem grauenvollen Drama über die Insassen eines Konzentrations­lagers, die in ihrer größten Hungersnot beschließen, einen zu Tode gekommenen Mithäftling zu kochen und zu essen. Degen spielte Taboris Onkel, der mit allen Mitteln versucht, den Kannibalismus zu verhindern. Im filmischen Kammerspiel „Winterjagd“ über drei Menschen aus drei Generationen, die schicksalhaft miteinander verbunden sind, verkörperte Degen einen Neunzigjährigen, der sich mit seinen Untaten während er NS-Zeit auseinandersetzen muss. Und im österreichischem Fernsehfilm „Geheime Reichssache“ von Michael Kehlmann, dem Vater des Schriftstellers  Daniel Kehlmann, war er Hitler.

          Immer wieder in den Träumen

          Dem NS-Terror ist Michel Degen selbst nur knapp entkommen. Sein Vater, ein Kaufmann und Professor für Sprachen, war 1939 nach Sachsenhausen deportiert worden; ein Jahr nach seiner Entlassung starb er an den Folgen der Misshandlungen. Während sich der ältere Bruder Ari nach Palästina retten konnte, blieben Michael Degen und seine Mutter in Berlin. Dort entkamen sie wie durch ein Wunder der De­portation und überlebten unter wechselnden Identitäten in verschiedenen Verstecken.

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