
Kölner Kulturpolitik : Wer alle angeht
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Vertragsverhandlung an der Oper Köln? Nein, Dmitri Tscherniakovs gefeierte Inszenierung von Verdis „Trovatore“ aus dem Jahr 2020. Bild: Oper Köln
Über Personalien könne man nicht diskutieren, sagt eine Kulturpolitikerin der Grünen. Aber stimmt das überhaupt? Der Fall der Kölner Opernintendantin Birgit Meyer als Beispiel.
Was sie sind, sind sie nur durch Verträge. Die Arbeitsverträge von Leitern öffentlicher Kulturinstitutionen regeln umfassend und detailliert, was diese Führungskräfte tun können und tun müssen. Typischerweise werden sie als Geheimsache behandelt. Wie dieser Brauch eine informierte Entscheidungsfindung in der Kulturpolitik erschwert, ist jetzt in der Stadt Köln zu studieren.
Dort hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker beschlossen, den zum Ende der Spielzeit 2021/22 auslaufenden Vertrag von Birgit Meyer, der Intendantin der Oper Köln, nicht zu verlängern. Frau Reker gab ihren Entschluss im November letzten Jahres bekannt, in einer Art Niemandszeit der Stadtpolitik nach den Kommunalwahlen und vor der Konstituierung des neuen Rates. Allerdings hatten die Fachpolitiker der Oberbürgermeisterin durch Untätigkeit freie Hand in der Opernpolitik gelassen. Das Enddatum von Meyers Vertrag war ihnen bekannt. Sie hätten die Zukunft der Oper, die wegen der Sanierung des Opernhauses seit 2012 einen mehrfach verlängerten Ersatzspielbetrieb unterhält, auf die Tagesordnung des Rates oder des für Verträge zuständigen Hauptausschusses setzen können. So wurde die Vertragssache Meyer als bürokratischer Akt behandelt, über den die Öffentlichkeit fast nur pro forma unterrichtet wurde.
Die offizielle Begründung der Oberbürgermeisterin, eine Intendanz von zehn Jahren sei lang genug, war nur eine ostentative Umschreibung dafür, dass die Verwaltung die wahren Gründe für sich behalten will. Denn vor den Kommunalwahlen hatte Reker den Vertrag von Yilmaz Dziewior, dem Direktor des Museums Ludwig, bis 2032 verlängern lassen, so dass ihm eine Amtsdauer von siebzehn Jahren garantiert ist.
Über den FC-Trainer wird ständig diskutiert
Im rechtsrheinischen Interim erreicht die Kölner Oper eine hervorragende Auslastung, die vor der pandemiebedingten Einstellung der Live-Aufführungen zuletzt bei 93 Prozent lag. Tatjana Gürbaca, eine der prägenden Regisseurinnen des heutigen Musiktheaters, zeichnete in der Ära Meyer für vier Produktionen verantwortlich, zuletzt im Dezember 2020 eine über Streaming zugängliche Neuinszenierung der Oper „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold, die auf den Tag genau vor hundert Jahren in Köln uraufgeführt worden war. Die Oper Köln steht dafür, dass ästhetisches Experiment und Repertoirepflege sich verbinden lassen.
So hat die Absage an Birgit Meyer insbesondere in dem kulturell aufgeschlossenen Milieu für Enttäuschung gesorgt, welches das Habitat der Kölner Grünen ist. Seit der jüngsten Ratswahl stellen sie die stärkste Fraktion. Brigitta von Bülow, Bürgermeisterin und kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, berichtete dieser Zeitung: „In der Stadt sind die Reaktionen auf die Nichtverlängerung gespalten. Einiges konnten wir erklären, aber über Personal ist nicht öffentlich zu diskutieren.“