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Karneval im Bonner Pantheon : Die heilige Quelle bleibt verschlossen

Ohne Hermann Schwaderlappen an seiner Seite redet Fritz Litzmann (Rainer Pause) noch viel freier. Bild: Marcus Simaitis

Rhetorischer Überfluss umspielt eine Offenbarung des Schweigens: Bonns kabarettistische Karnevalisten nehmen im Pantheon-Theater Abschied von Benedikt XVI.

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          Die Versammlungen des 1. Freien Kritischen Karnevalvereins Rhenania zu Bonn, die seit vierzig Jahren im Pantheon-Theater abgehalten werden, sind Prunksitzungen, wie sie im Wörterbuche stehen, erfüllen das Versprechen der protzig aufgeklebten Vorsilbe im prächtigsten Beiwortsinn dieses prägekräftigsten Programmbegriffs der weiland prestigereichsten Wissenschaft des pragmatisch angewandten Geistes, der Rhetorik.

          Patrick Bahners
          Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

          Rhetorischer Prunk ist ein Reichtum, der nur als Überfluss existiert, keine Knappheit als Kontrast und Existenzbedingung kennt und Imitatoren nicht durch Anreize des Neides heranzieht, sondern durch freigiebigste Ausschüttungen. Wo die Präsidenten unfreier und unkritischer Karnevalsvereine mit dem Unedelmetall haushalten müssen, das sie den Schmiermaxen und Ruderknechten ihrer bloß sogenannten Prunkwagen an die Brust heften, da kann dem 1. FKK der Ornat nicht ausgehen: Vom Rednerpodium schießen Blechlawinen in den Saal, hinter denen sich immer neue Satzungetüme aus zusammengepappten Floskeln auftürmen, in einem erhabenen Spektakel der Veredelung des Wortmülls.

          Es spricht landeskulturhistorische Bände, dass die Rhenania mit der ausdauernden Pflege der Beredsamkeit die Ehre der Bundesstadtregion rettet, die sich als zeitweiliger Hauptstadtstandort auch dadurch empfohlen hatte, dass am Rhein seit jeher neben der Rebe die Rede gedeiht und das heitere Klima auch dem verstocktesten Staatsgeheimnisträger die Zunge löst.

          Große Rhetoren standen an der Wiege der Bonner Universität, Barthold Georg Niebuhr und Ernst Moritz Arndt, die mit quellenkritischem Zerstörungseifer und patriotischen Aufbauappellen für ordentlichen öffentlichen Lärm sorgten. Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn könnte sich ein Beispiel an ihrer jüngeren Cousine in Münster nehmen und eine Namensreform in Erwägung ziehen. Im Bonner Fall ist es der die Region markierende Namensbestandteil, der nicht mehr zu dem Leitbild korporativer Identität passt, das man dem Agieren der Universitätsleitung abliest. Als Bonn den Titel einer Exzellenzuniversität erhielt, haben die Gutachter offenbar nicht geprüft, ob auch die Kommunikationsfähigkeit des Rektorats das Prädikat verdient.

          Die Machtchance der Seniorenstudenten

          In der Sache des seit Jahren vakanten Lehrstuhls für Rechtsphilosophie, in die sich außer dem Weltverband spanischsprachiger Freunde der deutschen Be­griffsjurisprudenz der Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtags eingeschaltet hat, ist vom Rektor kein klares, deutliches, wohlgesetztes, informiertes, be­gründetes oder we­nigstens entschiedenes Wort, sondern gar kein Wort zu hören.

          Würde das Amt des Rektors in Bonn wie an den alten schottischen Universitäten durch Studentenvolkswahl besetzt, hätte sich womöglich Fritz Litzmann (alias Rainer Pause), der Alters- und Ehrenpräsident der Rhenanen, den Posten gesichert – dafür hätten, blickt man im Jahr des vierzigsten Vereinsgeburtstags auf die Altersstruktur des Sitzungspublikums, nur die Seniorenstudenten auch in der studentischen Selbstverwaltung einmal die Macht ausspielen müssen, die sie in den Seminaren als rhetorische und an den staatlichen Wahlurnen als numerische ausüben.

          Die apostolische Sukzession ist in weiblicher Linie gesichert: Fritz Litzmann mit seiner Tochter (Gabi Busch).
          Die apostolische Sukzession ist in weiblicher Linie gesichert: Fritz Litzmann mit seiner Tochter (Gabi Busch). : Bild: Marcus Simaitis

          Magnifizenz Litzmann hätte den Dekan der Juristischen Fakultät vielleicht auch nicht angewiesen, den Wunschkandidaten der Fakultät zu ernennen, den der Petitionsausschuss und die lateinamerikanischen Rechtshegelianer (im disziplinären Sinne) unterstützen. Aber Rektor Fritz hätte, wie er alle Begriffe umschöpferisch verschleift, seine Magnifizenz in Munifizenz übersetzt und der Spektabilität und dem Rest der Universität wie Papst Franz Stadt und Welt bei seinen gefürchteten improvisierten Pressekonferenzen auf alle Fälle etwas gesagt. Und wenn es nur „Hi, hi, hi!“ gewesen wäre. Dann könnte der Wille zur Umgehung der Regeln immerhin protokolliert werden, und die in der halben Welt berühmte Lehrkanzel täte letzten Dienst als Beispiel für die geplante Enttäuschung von Erwartungen: ein Witz aus dem Lehrbuch.

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