Schaubühne gegen Kuby : Schwerwiegende Schmähung oder Kunstfreiheit?
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Schauspieler Björn Melhus in Falk Richters Stück „Fear“ an der Schaubühne Berlin. Bild: Picture-Alliance
Das Berliner Kammergericht urteilt im Streit zwischen der Publizistin Gabriele Kuby und der Schaubühne um das Stück „Fear“. Beide Seiten sehen sich als Sieger.
Seit anderthalb Jahren währt der Rechtsstreit der Publizistin und Soziologin Gabriele Kuby mit der Berliner Schaubühne und dem Regisseur Falk Richter. Nun ist das Berliner Kammergericht in einer Berufungsverhandlung zu einer Entscheidung gekommen. Gabriele Kuby, die für ihre konservativ-katholische Haltung zu familienpolitischen und sexualpädagogischen Themen bekannt ist, sah in Richters Stück „Fear“, das von Oktober 2015 bis Mai 2017 an der Berliner Schaubühne aufgeführt wurde, ihre Persönlichkeitsrechte verletzt.
Nachdem die Schaubühne und Richter eine von Kuby und der Kanzlei Rechtsanwälte Steinhöfel geforderte Unterlassungserklärung verweigert hatten, klagte die Publizistin vor dem Berliner Landgericht, unterlag in erster Instanz und ging in Berufung. Die Entscheidung des Gerichts in zweiter Instanz, das bestimmte Aussagen des Stücks untersagt, werten die Klageparteien ganz unterschiedlich – sie nehmen es beide als Erfolg für sich in Anspruch.
„Fear“ befasst sich mit dem Erstarken des Populismus und dessen Repräsentanten. Gegenstand der Klage Kubys war unter anderem die Äußerung: „Ich bin Gabriele Kuby ... und hetze gegen Juden“, die eine Figur des Stücks von sich gibt, als sie einen Albtraum schildert, in dem sie selbst in den Körper von Gabriele Kuby eingesperrt ist. Die Wiederholung dieser Satzteile wurde untersagt. Es handele sich dabei vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte um eine „schwerwiegende Schmähung“, für die es „keine Grundlage“ gebe, erläuterte der Vorsitzende Richter. Auch ein Ausschnitt einer Arbeit des Videokünstlers Bjørn Melhus, in welchem Fragmente einer Originalrede Gabriele Kubys zusammengeschnitten wurden, darf in der Inszenierung nicht mehr verwendet werden.
„Albtraum einer fiktiven Theaterfigur“
Der Einsatz eines Porträtfotos und die Verwendung dieses Fotos als Maske unter Herausstechen der Augen auf der Bühne wurden vom Gericht hingegen nicht beanstandet, ebenso wenig wie eine Textpassage, in der Gabriele Kuby neben Beatrix von Storch von der AfD als katholische Fundamentalistin bezeichnet wird. Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche der Klägerin hat das Berliner Kammergericht zurückgewiesen.
Gabriele Kuby sieht sich als Gewinnerin dieses Rechtsstreits. Falk Richter und die Schaubühne hätten die künstlerische Freiheit „missbraucht, um politisch Andersdenkende zu diffamieren und gesellschaftlich zu zerstören,“ teilte sie mit. Dem habe das Gericht nun einen Riegel vorgeschoben.
Aus Sicht der Schaubühne jedoch wurde die Klage überwiegend abgewiesen. Das sei an den weiterhin zugelassenen Passagen des Stücks erkennbar und an der Kostenverteilung. Gabriele Kuby habe 69 Prozent der Verfahrenskosten zu tragen, auf Schaubühne und Falk Richter entfielen jeweils 15,5 Prozent der Kosten. Nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe werde man gemeinsam mit Falk Richter entscheiden, ob Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werden. In diesem Zusammenhang werde es insbesondere darum gehen, ob das Gericht „die Gesichtspunkte der Ausübung der Kunstfreiheit hinreichend berücksichtigt hat“. Die Videoarbeit von Bjørn Melhus bewege sich „vollständig im Rahmen der Kunstfreiheit“ und thematisiere mit künstlerischen und satirischen Mittel die „menschenverachtende Hetze Gabriele Kubys“. Auch die dramatische Setzung des Albtraums einer fiktiven Theaterfigur, in den Körper von Gabriele Kuby eingesperrt zu sein, müsse im Rahmen der Kunstfreiheit erlaubt bleiben.