Interview mit Bettina Hoppe : Dieser Junge ist doch immer auf dem Sprung
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Bettina Hoppe 2011 als Hamlet im Schauspiel Frankfurt Bild: Birgit Hupfeld
Haben Frauen bei Shakespeare zu wenig zu sagen? Über Hamlet, den Reiz der Hosenrollen und das Intendantenbüro als letzte Festung des Patriarchats. Ein Gespräch mit der Schauspielerin Bettina Hoppe.
Sie haben vor einiger Zeit in Frankfurt den Hamlet gespielt. Würden Sie auch den Macbeth spielen?

Redakteur im Feuilleton.
Klar!
Müsste Lady Macbeth dann von einem Mann gespielt werden?
Überhaupt nicht. Ich als Frau habe Hamlet gespielt, und die Ophelia wurde von einer Frau gespielt. Das war kein Problem. Es geht ja immer um Menschendarstellung: Ich habe als Nichtmutter Mütter gespielt und als nicht heterosexuelle Frau heterosexuelle Frauen. Ich habe schon so viel gespielt, was ich nicht bin, warum sollte das gerade bei der Gender-Frage aufhören? Es gibt sehr viele Männerfiguren, deren Größe sich nicht aus dem Virilen speist, sondern daraus, das an ihnen große Menschheitsfragen verhandelt werden. Zweifel, Macht oder Begehren, all das ist ja nicht in erster Linie weiblich oder männlich, sondern menschlich.
War Hamlet Ihre erste Shakespeare-Rolle?
Nein, ich hatte davor in Bern die Rosalind in "Wie es euch gefällt" gespielt und dann zwei Mal die Elfenkönigin Titania im "Sommernachtstraum" an der Schaubühne in Berlin und am Schauspiel Frankfurt.
Was war anders bei Hamlet?
Alles. Hamlet ist einzigartig, und konkurrenzlos, weil die Figur so allumfassend ist. Da fehlt gar nichts. Auf Hamlet lässt sich einfach alles projizieren, und das ist wohl auch der Grund, warum dieses Stück zu solchem Ruhm gelangt ist. Ich hatte vorher noch nie in einem Stück gespielt, in dem alles, was ich zeigen will, stattfinden kann und mehr noch als das, denn ich musste Sachen produzieren, die ich in mir zunächst gar nicht auffinden konnte. Ich kenne keine Rolle, die einem mehr abverlangt.
Was denken Sie über Hamlets feminine Seite? Wie wollten Sie die darstellen? Wollten Sie sie überhaupt darstellen?
Das Weibliche kommt in diesem Stück nicht gut weg: "Schwäche, dein Name ist Frau", sagt Hamlet. Die Frau ist schwach, böse und Wurzel allen Übels. Ich habe Hamlet immer als jemanden empfunden, dessen weibliche und männliche Anteile noch nicht klar verteilt sind. Er hat die Anlage zu allem: zum virilen, tatkräftigen Mann ebenso wie zu großer Feinheit, Weichheit, Zögerlichkeit. Er ist sensibel und gleichzeitig ein Berserker. Deshalb ist es ja auch so spannend, diese Figur zu begleiten: Man will wissen, wofür er sich entscheidet, welche seiner Seiten am Ende gewinnt. Überhaupt sind alle Gegensätze in ihm stark, auch der zwischen dem Intellekt und dem Unbewussten. Man weiß nicht, was ihn im nächsten Moment steuert. Alles in ihm ist von großer Intensität und miteinander im Widerstreit liegend. Mich haben eher diese unerlösten Anteile interessiert als die weiblichen.
Sie sagten gerade, er habe sich noch nicht entschieden. Vielleicht hat er sich ja dafür entschieden, sich nicht zu entscheiden. Wäre das nicht eine sehr gegenwärtige Haltung?
Nein, er beklagt sich ja, dass er so unentschlossen ist und nimmt immer wieder Anlauf, sich zu entscheiden. Hamlet ist immer auf dem Sprung. Eine Stärke sehe ich im Unentschiedenen nicht. Ich würde eher sagen, dass diese ganzen Herausforderungen zu früh für ihn gekommen sind. Er ist einfach noch sehr jung. Da keimt ganz viel, aber man weiß noch nicht, in welche Richtung es gehen wird. Dieses Pubertäre bei Hamlet, das scheint mir auch wichtiger als die Frage nach Weiblichkeit und Männlichkeit. Die Unbedingtheit, mit der er alles will und alles in Frage stellt, ist für mich weder männlich noch weiblich, sie ist vor allem jugendlich.