Ausschließlich Regisseurinnen : Alles muss man selbst machen am Karlsruher Theater
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Frauen an die Macht: Das Stück „Hedda, Nora und ihre Schwestern“ rückt, ebenso wie das Staatstheater, Frauen in den Mittelpunkt. Bild: Felix Grünschloß
Karlsruhes Theater ist eine Spielzeit ausschließlich in den Händen von Frauen – auch wenn der männliche Intendant bleiben darf. Der Auftakt ist bunt und ambitioniert.
Als das Karlsruher Hoftheater im Januar 1719 mit dem Singspiel „Celindo oder die hochgepriesene Gärtnertreue“ eröffnet wurde, durften Durlacher Bürgermädchen Solopartien und sogar Männerrollen übernehmen. Es war nur eine absolutistische Haremsphantasie: Die „Tulpenmädchen“ waren die als Hofsängerinnen deklarierten Gespielinnen des lendenstarken Markgrafen.
Heute ist das Staatstheater weiter: „Die Zukunft ist weiblich“, schreibt die neue Schauspielchefin Anna Bergmann im Spielplanheft. Frauen seien heute schon emanzipiert, selbstbewusst, in vieler Hinsicht besser gebildet und erfolgreicher als Männer und würden in naher Zukunft die Erde beherrschen. Mehr „Female Power“ aber ist gut für Gesellschaft, CO2-Bilanz und Kunst, und deshalb wird Bergmann die Jubiläumsspielzeit nur mit weiblichen Regisseuren bestreiten.
Gewollte Grenzüberschreitungen
Intendant Peter Spuhler unterstützt die Frauenoffensive: Alle fünf Sparten des Badischen Staatstheaters sind in der kommenden Saison in weiblicher Hand. Auf dem Spielplan stehen Gesprächsrunden wie „Die Zukunft ist weiblich“, die Opernrevue „Ladies First“ und „How to Date a Feminist“ , eine Komödie über die Schwierigkeit, sich in engagierte Feministen zu verlieben. Vor allem die hundertprozentige Frauenquote im Schauspiel war nicht unumstritten.
Manche halten es für einen längst überfälligen Stupser; schließlich ist die Zahl der Frauen in den Leitungsgremien der Theater zwischen 1994 und 2014 nur von 19 auf 22 Prozent gestiegen, und bei der Regie sieht es kaum besser aus. Kritiker trauen Spuhlers plötzlicher Wandlung zum Quoten-Paulus allerdings nicht so recht: Sie wittern eine theatralische Weiberfastnacht, einen letzten Trick des Patriarchats, billiger jedenfalls als die Schließung der Gender Pay Gap.
Einer Frau wie Andrea Breth ist es bekanntlich egal, ob Männer, Frauen, Hunde oder Schweine inszenieren, solange es nur gut gemacht ist, und für die großen alten Männer des Theaters sind regieführende Frauen eh Frauenfußball. Ohne die leitende Hand des Mannes, heißt es schon in der Zauberflöte, überschreiten die Weiber leicht ihren Wirkungskreis. In Bergmanns Eröffnungsinszenierung der „Frauenspielzeit“ prüft Helmer schon mal die Elastizität des Gürtels, mit dem er sein leichtsinniges Vögelchen Nora für ihre Grenzüberschreitung bestrafen wird.
Dramaturgie wie in einer Fernsehserie
Zum Saisonauftakt bringen Bergmann und die Hamburger Autorin Ulrike Syha „Hedda, Nora und ihre Schwestern“ auf die Bühne. Starke Ibsen-Frauen im Dreierpack: eine Überschreibung des nordischen Frauenverstehers für unsere MeToo-Zeit, programmatisch laut, kühl sezierend, bildstark, sinnen- und meinungsfreudig. Das erzählerische Konzept ist äußerst anspruchsvoll. Auf einer Puppenstubenbühne mit vielen Räumen von der Telefonzelle bis zur Kapelle, vom Büro des Hausherrn oben bis zum Pool der Hausfrau im Keller werden „Nora“, „Hedda Gabler“ und „Die Frau vom Meer“ in einen Schicksalszusammenhang gespannt, historisch hintereinander, aber quasi simultan gespielt, mit feministischer Videokunst überblendet, zugleich in die Gegenwart geholt und durch Sprache, Kostüme, Musik und unterschiedliche Grade weiblichen Selbstbewusstseins akzentuiert.