„Figaro“ in Düsseldorf : Wehe, wehe, Wolkenbruch!
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Auf dem Gustaf-Gründgens-Platz in Düsseldorf war am Anfang der Nachkriegszeit sicher auch nur eine Würstchenbude. Und was ist er heute? Andreas Kriegenburgs Freiluftinszenierung von „Figaros Hochzeit“ spielt mit den Elementen von Christoph Ingenhovens Platzgestaltung. Bild: Thomas Rabsch
Das Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt „Figaros Hochzeit“ an der freien Luft. Zuschauer und Schauspieler sind völlig von Wasser umgeben, und der Himmel bestraft den Fäkalhumor des Regisseurs Andreas Kriegenburg.
Früher wäre in einem solchen Notfall die Sprinkleranlage in Tätigkeit getreten. In der Unternehmenszentrale des digitalen Partnervermittlers ist die Klimaanlage ausgefallen. Oder wie der Chef sagt: „Die Klima hat einen Bug. Sie arbeiten dran.“ Der Chef sagt das wieder und wieder, denn sie arbeiten sehr lange daran. Am Ende des Arbeitstages ist der elektronische Käfer, der die Kühlung sabotiert hat, immer noch nicht unschädlich gemacht, aber vielleicht sind sie auch schon nach Hause gegangen. Da aber spätestens im Zuge der 2020 abgeschlossenen Generalüberholung des Gebäudes alle Wasserspender in den Bürodecken ausgebaut worden sind, führt der Einbruch des Klimawandels in die Hauptverwaltung des Marktführers der Verkupplungsindustrie dazu, dass alle Angestellten vor der Hitze fliehen und das ikonische Firmengehäuse von außen betrachten, dessen geschwungene Fassade an ein Sitzmöbel mit dem altmodischen Namen Liebessofa denken lässt, das aber 1970 nach Plänen von Bernhard Pfau als Schauspielhaus der Landeshauptstadt Düsseldorf errichtet wurde.
In Wirklichkeit hat die Stadt ihren Theaterbau direkt neben dem Dreischeibenhaus von Helmut Hentrich natürlich nicht verkauft, obwohl Thomas Geisel, der sozialdemokratische Vorgänger des Oberbürgermeisters, in seiner Amtszeit öffentlich mit dem Gedanken gespielt hatte. In der Wirklichkeit eines Spätfrühlingsabends unserer durch eine Zunahme der Extremwetterereignisse gekennzeichneten Zeit findet auf dem Gustaf-Gründgens-Platz eine Open-Air-Aufführung des Schauspielhauses statt. Andreas Kriegenburg hat „Figaros Hochzeit“ von Beaumarchais in die Gegenwart und ins Freie der Umgebung von Theater, Bürohochhaus und spätpostmodernen Luxuskaufhäusern verlegt. Dass Pfaus im Abendlicht schimmernder Bau ausdrücklich zur Kulisse wird, ist ein schöner Einfall, und auch die übrige Umgebung wird im räumlichen Detail hübsch zur Geltung gebracht. Die Zuschauertribüne nimmt die Stufenpyramidenanmutung der von acht Kilometern Hainbuchenhecke bedeckten Fassade von Christoph Ingenhovens Geschäftshauskomplex Kö-Bogen II auf und wirkt vor der kolossalen grünen Schrägfront zwar etwas mickrig, aber das sehen ja nicht die Zuschauer, sondern nur die Schauspieler.
Ingenhoven zeichnete auch für die Sanierung des Pfau-Baus und für die Neugestaltung des Gründgens-Platzes verantwortlich. Ein Hauptelement seiner Platzgestaltung ist ein Fontänenfeld, eine in die Platzoberfläche integrierte Brunnenanlage. Deren Wässerchen schießen während der Vorführung munter weiter kniehoch in die Luft, sodass sie bisweilen die Turnschuhe der Angestelltendarsteller benetzen und die Adaption der klassischen Komödie wenigstens emblematisch spritzig gerät. Als Tableau belebter Land Art geht die Aufführung recht nett auf, während die Übertragung der Liebesintrige aus der Zeit des Übergangs von feudaler Norm zur bürgerlichen Konvention in die Automatismen der Dating-App-Ökonomie gar nicht ernsthaft versucht wurde. Das verbindende Element ist das Wasser: Der Brunnen wurde um einen künstlichen Teich erweitert, und äußert komisch ist der Running Gag der Missgeschicke, die dem Gärtner Antonio als stummer Staffagefigur im Hintergrund mit dem Wasserschlauch unterlaufen.
Der Schrank, in dem Cherubin sich versteckt, wird durch ein auch so benanntes Dixi-Klo ersetzt. Der Fäkalhumor wird im Bildwitz ausbuchstabiert, mit dem unschönen Anblick eines mit dem Substitut von Exkrementen beschmierten Praktikantenkörpers. Ein Dixi-Klo funktioniert ohne Wasseranschluss, aber in der von uns besuchten Aufführung griff der Himmel ein, bereinigte durch einen Regenguss das Klima und machte dem Klamauk mit einer nachhaltigeren Pointe ein Ende, als sie Kriegenburg mutmaßlich auch in der zweiten Hälfte zu bieten gehabt hätte.