Tanztheater Pina Bausch : Afrikanisches Feuer, europäische Asche
- -Aktualisiert am
Amadou Lamine Sow und das Ensemble aus dreizehn afrikanischen Ländern tanzen „Das Frühlingsopfer“. Bild: Oliver Look
Boris Charmatz, der Leiter des Tanztheaters von Pina Bausch in Wuppertal, startet seine Direktion mit „Common Grounds“, „Cafe Müller“ und „Le Sacre“. Der dreiteilige Abend hinterlässt einen zwiespälitgen Eindruck.
Sein Choreographisches Zentrum in Rennes hatte Boris Charmatz etwas hochtrabend in Musée de la danse umbenannt, aber diesseits der aufgestellten intellektuellen Behauptung waren nachhaltige kuratorische Wirkungen nicht zu erkennen. Zur ersten Wuppertaler Premiere des Tanztheaters von Pina Bausch unter seiner Leitung erschienen viele Beteiligte der senegalesischen und europäischen Partnerinstitutionen des im Augenblick international tourenden Programms „Common Ground(s) / Das Frühlingsopfer“. In Wuppertal hat Charmatz das Programm um „Café Müller“ in einer neuen Besetzung ergänzt. Mit der Choreographie für sechs Tänzer zu Musik von Henry Purcell – „Dido’s lament“ und andere Arien – beginnt der Abend im Opernhaus.
Ursprünglich war es Pina Bausch, die sich im Dunkeln auf die Bühne tastete, barfuß, die langen Ballerinenarme mit den Handflächen nach oben leicht nach vorne gestreckt, bekleidet nur mit einem tief ausgeschnittenen langen Hemd mit Spaghettiträgern. Das Haar achtlos nach hinten gebunden, kam sie wie eine Schlafwandlerin in den Raum, der sich als ein geschlossenes Café voller dunkler Holztische und Stühle darbietet. Taylor Drury sieht Bausch körperlich sehr ähnlich, für manche, die die Originalbesetzung gesehen haben, muss das schockierend ähnlich sein. Wie Bausch geht sie absichtlich schlicht hinein in das Labyrinth, umso mehr erschrickt man, wenn sie gegen das erste Möbelstück knallt wie ein Vogel gegen eine Glasfassade. Doch fast im selben Moment ist man auch irritiert, denn sind nicht Schlafwandler meistens geschickt darin, Unfälle zu vermeiden?
Mach doch mal das Licht an!
Mach das Licht an, denkt man ketzerisch, aber die Tänzerin hat die Augen geschlossen, Bühnenbeleuchtung würde also nicht helfen. Über die halbe Stunde hinweg wiederholt sich das Motiv des Zusammenstoßens mit Objekten der unbelebten Welt. Da können sich die Männer noch so häufig in rettender Absicht vor die umherirrenden Frauen werfen und das Mobiliar beiseitereißen. Dann krachen sie doch nur woanders hinein. Es gibt außerdem eine Drehtür, mit der Taylor Drury eine ganze Weile im Kreis geht.
Außer einer zweiten Frau im Hemd und den Männern ist da noch eine Frau mit roter Lockenperücke, Mantel, Vierzigerjahre-Kleid und rosa Absatzschuhen. Auf ihnen tippelt sie durch die Szenerie. Ein Mann hebt einem anderen Mann eine Frau quer auf die Arme, als wollte er sagen, nimm du sie endlich, sieh zu. Aber die Frau fällt immer wieder runter, er hebt sie immer wieder auf. Am Ende springt sie ein paar Mal von selbst dem Mann in die Arme, nur um wieder auf den Boden zu knallen. Um die Szene herum stehen Plexiglasscheiben. Gegen sie knallt sich ein Paar abwechselnd und gegenseitig. Am Ende kriegt Taylor Drury die Perücke ausgehändigt und den Mantel umgehängt und stolpert weiter, gefährlich nahe am Abgrund des Orchestergrabens, in dem die Musiker und Sänger sitzen.