Donaueschinger Musiktage : Wege aus der Beliebigkeit
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Wie gut ist der Computer?
Ist Glück messbar? Mit der naiven Annahme, Dur-Dreiklänge förderten das Glücksempfinden, versuchte Matthew Slomowitz eine Antwort per Orchester zu geben. Auf abstrakterer Ebene wurde die Frage, ob und wie menschliche Verhaltensweisen und Emotionen zu digitalisieren und damit zu quantifizieren sind, im Programmschwerpunkt „Künstliche Intelligenz“ abgehandelt. Mit dem Thema werden gegenwärtig ganze Zeitungsseiten gefüllt, und da will die Musikavantgarde nicht zurückstehen. N. Katherine Hayles (Los Angeles) gab in ihrem Vortrag einen Einblick in die Problematik.
Vor einem Jahr stellte der englische Computermusikspezialist Nick Collins bei den Darmstädter Ferienkursen ein selbstgebautes Programm vor, mit dem der Computer Musikstücke nicht nur analysieren, sondern angeblich auch bewerten kann, wobei sich natürlich die Frage der Qualitätskriterien stellt. Er scheint er in der Lage zu sein, männliches und weibliches Komponieren zu unterscheiden, aber bis zur Transsexualität ist er offenbar noch nicht vorgedrungen. Auch kann das Programm Klaviermusik nach vordefinierten Kriterien sortieren, ihr also bestimmte Wertigkeiten zuordnen.
In Donaueschingen wurden nun drei Klavierstücke aufgeführt, die auf diese Weise aus einer Menge von Einsendungen ausgewählt worden waren. Wie Joseph Houston am Flügel technisch eindrucksvoll demonstrierte, ist ihnen bei aller Verschiedenheit im Detail eine aufwendige Virtuosität gemeinsam. Im Mittelpunkt steht die Maschine Klavier, der Eindruck ist kalt und unpersönlich. Was Collins in dem im Programmheft abgedruckten Gespräch mit Festivalleiter Björn Gottstein sagt, könnte als Motto über dieser Demonstration stehen: „Die Antwort auf die Frage, wie gut Computer hören können, ist komplex.“
Klänge von erlesener Farbigkeit
Das menschliche Ohr wurde diesmal in Donaueschingen auf vielfache und fruchtbare Weise gefordert. Zu den starken Eindrücken zählte „Poética del espacio“, ein anderthalbstündiges Werk von Alberto Posadas, das vom Klangforum Wien unter Sylvain Cambreling zu großer Entfaltung gebracht wurde.
Posadas‘ Komponieren ist stark instrumentenbezogen: Der spezifische Charakter wird vor allem bei den Bläsern stark ausgeweitet, aufgerauht und mit Obertönen angereichert. Im Ensemblekontext entstehen damit Klänge von erlesener Farbigkeit und Intensität – eine Art von instrumentaler Klangsynthese, die jeden Computer überflüssig macht.
Das Füllhorn neuer Werke wurde auch in den Konzerten mit dem Ensemble Resonanz und dem Ensemble Intercontemporain reichlich ausgegossen, wobei es allerdings vereinzelt auch beim Tröpfeln blieb. So etwa beim vielbeschäftigten Beat Furrer, der von seinem Klarinettenkonzert nur den ersten Satz ablieferte und das Publikum aus der Ferne via Ansage grüßen ließ. Unterschiedliches auch bei den vielen Klangkunstevents und Sonderveranstaltungen. Am Angebot an Neuem fehlt es nicht, der Besucher kann sich herauspicken, was ihm gefällt. Und sich fragen, wie lange dieses spannende Tischleindeckdich wohl noch Bestand hat.