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Dieter Mann ist tot : Paradedarsteller des Deutschen Theaters

Der Charakterkopf des Deutschen Theaters: Dieter Mann (1941-2022) Bild: dpa

Mehr als vierzig Jahre lang an einem Haus, mehr als sechzig Rollen auf der Bühne: Der Schauspieler und Intendant Dieter Mann ist im Alter von achtzig Jahren gestorben.

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          Im Jahr 1966 – dem Jahr der deutschen Theaterrevolution im Westen, dem Jahr von Peter Steins „Torquato Tasso“ in Bremen, dem Jahr, in dem Peter Zadeks „Frühlings Erwachen“ eine neue Generation freier Liebender feierte – trat Dieter Mann am Deutschen Theater in Ost-Berlin zum ersten Mal in Erscheinung. Als Tempelherr in einer „Nathan“-Inszenierung von Friedo Solter. Als „jung“ und „stattlich“ wird er im Text beschrieben; als stolz und schön, mit einem markanten Grübchenkinn trat Mann damals auf. Der Auftritt sollte Folgen haben für den 1941 in Berlin als Sohn eines Arbeiters geborenen Schauspieler, der nach der Volksschule zunächst eine Lehre als Spitzendreher absolvierte.

          Simon Strauß
          Redakteur im Feuilleton.

          Neben der Arbeit in einem Schleifmaschinenwerk entdeckte Mann seine Leidenschaft für das Schauspiel und war als Komparse an Brechts „Berliner Ensemble" tätig. Von 1962 bis 1964 lernte er an der Schauspielschule "Ernst Busch" das Handwerk und wurde noch während des Studiums ans Deutsche Theater engagiert. Von Mitte der Sechziger Jahre bis 2006, also mehr als vierzig Jahre lang, blieb Dieter Mann an diesem, seinem Haus und spielte dort über sechzig Rollen. Von 1984 bis 1991, also während der einschneidenden Wendejahre, stand er dem Deutschen Theater auch als Intendant vor und reihte sich damit ein in die illustre Berlin Tradition schauspielender Theaterleiter. Damals gab er etwa der Karriere von Frank Castorf einen entscheidenden Schub.

          Insbesondere mit zwei Rollen prägte sich Dieter Mann selbst dem Bewusstsein der theaterliebenden Öffentlichkeit ein: Als siebzehnjähriger Edgar Wibeau in Ulrich Plenzdorfs umstrittenem Jugendstück „Die neuen Leiden des jungen W." (mehr als dreihundert Aufführungen) und als Kellner Jean in der 1976, auch im Fernsehen erfolgreichen Revue "Zwei Krawatten". Während er sich in Zeiten der DDR als FDJ-Sekretär an der Schauspielschule engagierte, Mitglied der SED-Parteileitung am Deutschen Theater war und ab 1975 auch dem Zentralvorstand der Gewerkschaft Kunst angehörte, wandte er sich nach der Wende von Politik und Intendantendasein ab und wieder ganz der Ästhetik des Schauspielens zu. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Schauspielschule, stand Dieter Mann in über 140 Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera – unter anderem in Konrad Wolfs „Ich war neunzehn“ oder Herrmann Zschoches „Glück im Hinterhaus“.

          Bis in die tiefsten Abgründe

          Seine Alterskarriere ist beachtlich: unter anderem mit Niels-Peter Rudolph und Thomas Langhoff gelangen ihm eindrucksvolle Arbeiten, unter anderem als Wehrhahn in Gerhart Hauptmanns „Biberpelz“, als Kreon in Sophokles‘ „Antigone“ und als Odysseus in „Ithaka“ von Botho Strauß. Die schlichte, starke Kraft seines Ausdrucks, der technisch konzentrierte, nie bemüht oder gekünstelt wirkende Ton seiner Sprache machten ihn zu einem Darsteller, dem man in seinem Spiel vertraute und bereitwillig bis in die tiefsten Abgründe seiner Charaktere folgte. Als Vorleser und Hörbuch-Sprecher erreichte Mann ein breites Publikum und trat hin und wieder auch mit literarischen Soloabenden auf - etwa mit einem Monolog aus Thomas Manns "Zauberberg“.

          Im Jahr 2011 spielte Dieter Mann das letzte Mal vor der Kamera: als depressiver, suizidgefährdeter Witwer an der Seite von Martin Seifert und Renate Krößner in dem Kinofilm „Vergiss dein Ende“. 2016 dann gab der schon sichtlich gezeichnete Paradedarsteller des Deutschen Theaters an eben jenem Ort seiner ersten Erfolge bei einer Lesung bekannt, dass er an Parkinson erkrankt sei. Jetzt ist Dieter Mann achtzigjährig in seiner geliebten Heimatstadt Berlin gestorben.

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