Edda Moser zum Achtzigsten : Sopran des Einspruchs
- -Aktualisiert am
Edda Moser 2013 in Bad Lauchstädt in Begleitung von Johann Wolfgang von Goethe Bild: Picture-Alliance
Der Sopranistin Edda Moser hat sich immer am Inhalt, nie am Fach ihrer Rollen orientiert. Nach der Bühne hat sie eine neue Aufgabe gefunden.
Die Einteilung von Stimmen in Fächer ist die (Not-)Lösung des zwanzigsten Jahrhunderts von Problemen, die im neunzehnten Jahrhundert durch die „dramatischen“ Partien von Giuseppe Verdi und Richard Wagner entstanden sind. Die Sopranistin Edda Moser hat sich der Zuordnung ihrer Stimme zu einem Fach verweigert und gesagt, dass sie nie Fächer, sondern immer nur Rollen gesungen habe: ob Donna Anna in „Don Giovanni“, die Königin der Nacht in „Die Zauberflöte“, Elettra in „Idomeneo“ von Wolfgang Amadeus Mozart oder Salome von Richard Strauss: „Mich als Koloratursängerin zu bezeichnen wäre falsch, ich bin auch keine Dramatische oder Hochdramatische. Ich bin immer vom Inhalt einer Partie ausgegangen.“
Sie war keine Dramatische oder Hochdramatische durch Klangfülle und Durchschlagskraft der Stimme, sondern durch die Fähigkeit, einen Ton, eine Phrase zu durchglühen, ob sie nun eine Ingenue-Figur verkörperte wie Gilda in „Rigoletto“ oder eine tragische Belcanto-Heroine wie Gaetano Donizettis „Lucia“. Als sie Mozarts „Populi di Tessaglia“ aufnahm, die Ansprache der Königin Alceste an ihr Volk, mag sie der Forderung des Komponisten gedacht haben, auf „die Gewalt der Worte“ zu achten. Imponierend wie der Furor der Deklamation ist die Verve, mit der sie in der Stretta die Spitzentöne – bis zum G’’’ – bildet. In der zweiten Arie der Königin der Nacht, von den meisten Sopranen wie eine Etüde exekutiert, flammen die Staccato-Repetitionen auf zur Klanggestalt von Rache. In Elettras „D’Oreste, d’Ajace“ aus „Idomeneo“ verkörpert sie wie keine andere den Typ des „rasenden Weibes“ (Dieter Borchmeyer).
Bleibender Eindruck
Edda Moser, als Tochter des Komponisten und Musikwissenschaftlers Hans-Joachim Moser in Berlin geboren, studierte bei Gerty König und Hermann Weissenborn, zu dessen Schülern auch Dietrich Fischer-Dieskau gehörte. Sie debütierte 1962 in Berlin als Kate Pinkerton in „Madama Butterfly“ und absolvierte ihre Lehrjahre in Hagen und Bielefeld. Auf Einladung von Hans Werner Henze sang sie in London zwei seiner Kantaten. Nach drei Jahren im Ensemble der Oper Frankfurt (1968 bis 1971) debütierte sie im Januar 1971 als Konstanze an der Wiener Staatsoper. Schon 1968 gehörte sie in Salzburg zu Herbert von Karajans Ensemble für Wagners „Ring des Nibelungen“ (Wellgunde), mit dem sie 1969 an der Metropolitan Opera debütierte.
1970 hinterließ sie dort als Königin der Nacht einen nachhaltigen Eindruck, wie Paul Jackson in seiner faszinierenden Studie über die „Met Broadcasts“ berichtet. Zu ihren zentralen Partien an der Met gehörte die Donna Anna, die sie 1979 auch in Joseph Loseys „Don Giovanni“-Film verkörpert hat. Der Praxis mancher Stars, ihren Ruhm mit wenigen Rollen allüberall zu verwalten, hat sie sich nicht angeschlossen. Das Register ihrer Partien verzeichnet Opern von Rameau, Händel, Gluck, Mozart, Beethoven, Wagner, Verdi, Strauss und Puccini ebenso wie von Arthur Honegger, Boris Blacher, Siegfried Matthus und Hans Werner Henze.
In ihrer Diskographie finden sich eindringliche Liedaufnahmen, insbesondere die von Robert Schumanns „Frauenliebe und -leben“, faszinierend dadurch, dass sie gegen den demanzipatorischen Charakter des Zyklus, gegen weibliche Liebesunterwürfigkeit, Widerspruch einlegt. Dass sie sich dem Fortschrittsbefehl widersetzte, die Musik von Luigi Nono, Bernd Alois Zimmermann oder Pierre Boulez zu singen, geschah nicht aus Ignoranz oder Ressentiment, sondern weil sie keine innere Beziehung herstellen konnte.
Ende der siebziger Jahre wurden die Folgen ihres bedingungslosen stimmlichen Einsatzes, der mit dem Wort „verzehrend“ ein eher prekäres Lob erhielt, spürbar. So musste sie erleben, dass sie 1977 nach einer Aufführung der „Zauberflöte“ in Paris wegen einiger Patzer gnadenlos abgestraft wurde. In späteren Aufnahmen wird das Mikrofon hier und da zu einem Mikroskop, unter dem erkennbar wird, dass das Singen zum Selbstopfer werden kann. 1994 hat sich Edda Moser als Salome von der Bühne verabschiedet. Sie hat dies, wie sie in Interviews eingestanden hat, als „Tod“ empfunden.
Seit den achtziger Jahren hat sie an mehreren Instituten Meisterklassen geleitet. Im Jahr 2006 rief sie, unterstützt von Hans-Dietrich Genscher, ein „Festspiel der deutschen Sprache“ in Bad Lauchstädt ins Leben, für das sich Autoren, Schauspieler, Politiker und Vertreter der Wirtschaft engagieren. Heute sei Edda Moser zum achtzigsten Geburtstag gratuliert.