Pinchas Zukerman wird siebzig : Der Geiger dirigiert
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Robust und stark, unbekümmert und selbstbewusst als Persönlichkeit, feinfühlig, blühend sinnlich, dabei durchaus wachsam als Künstler: Pinchas Zukerman Bild: Getty
Er hat Musik geatmet, gelebt und buchstäblich verschlungen: Das Geiger-Genie Pinchas Zukerman wird siebzig Jahre alt.
Nicht nur in seiner äußeren Erscheinung und charmanten Offenheit, vor allem in seinem Enthusiasmus für die Kunst ähnelt Pinchas Zukerman immer mehr dem großen musikalischen Verführer Leonard Bernstein. Man kann es nur als Glück empfinden, wenn außergewöhnlich erfolgreiche Künstler wie Bernstein oder Zukerman noch in der aktiven Laufbahn ihre Erfahrung und ihr Wissen so bereitwillig und engagiert an jüngere Generationen weitergeben.
In dieser Hinsicht hat der israelische Geiger Zukerman als Solist auf seinem Instrument und der Bratsche, als Dirigent und Kammermusiker freilich noch mehr zu bieten als die meisten seiner Kollegen. Von der Vielseitigkeit einmal abgesehen, gibt es dafür gewichtige Gründe, die in seiner Biographie und spezifischen Begabung liegen.
Pinchas Zukerman, nach spektakulären Debüts in Amerika und Europa in den sechziger und frühen siebziger Jahren schon als Kronprinz der damals noch lebenden Geigenlegenden Fritz Kreisler und Jascha Heifetz apostrophiert, war nämlich kein ausgesprochenes Wunderkind. Erst mit etwa acht Jahren begann er Geige zu lernen, in einem Alter somit, von dem zynische Kenner meinen, es reiche möglicherweise für die Ausbildung zum Tuttisten in einem guten Provinzorchester, aber keinesfalls für einen gefeierten Solovirtuosen. Wenn schon, dann war Zukerman vielmehr musikalisches als geigerisches Wunderkind, und das scheint allemal mehr wert zu sein.
Er hat Musik buchstäblich verschlungen
In seinem Elternhaus in Tel Aviv ist er von nichts als Klängen umgeben gewesen. Er hat, wie er einst erzählte, Musik überall gehört, sie geatmet, gelebt, buchstäblich verschlungen und in allen nur erdenklichen Varianten selbst praktiziert. Mit dreizehn Jahren, als er von Isaac Stern und Pablo Casals bei deren Besuchen in Israel entdeckt und zur weiteren Ausbildung an der New Yorker Juilliard School bei Ivan Galamian empfohlen wurde, war er schon mit der gesamten solistischen Violinliteratur wie der Kammermusik für Geige vertraut.
Das Urteil, das ihn seither begleitet und zur Beschreibung seiner immensen Kunstfertigkeit herangezogen wird, kulminiert nicht von ungefähr in schmückenden Beiwörtern wie natürlich, selbstverständlich, unangestrengt. In diesem Sinne, immanent musikalisch ausgerichtet, auf natürlichen Ausdruck wie entsprechende Tongebung bedacht und alles neurotische Stargehabe abweisend, hat er auch sein Wissen in zahllosen Meisterklassen weitergegeben.
Es war dieses unvermittelte Musikantentum, das ihm von Anfang an einen besonderen Platz unter den Geigern einer neuen Generation gesichert hat, zu der auch sein Freund und Partner in unzähligen gemeinsamen Auftritten Ithzak Perlman gehört. Wenn das Wort zerebral in den Kritiken zu Zukermans Konzerten nie vorkam, dann kann man das in seinem Falle als Kompliment auffassen.
Der direkte Weg zu Mozart und Schubert
Robust und stark, unbekümmert und selbstbewusst als Persönlichkeit, feinfühlig, blühend sinnlich, dabei durchaus wachsam als Künstler, gibt es bis heute bei Pinchas Zukerman keinen Umweg vom warmen, sprechenden Ton seiner Guarneri del Gesù über den Kopf zu den Seelen seiner Zuhörer. Es ist der direkte Weg zu Mozart und Schubert.
Pinchas Zukermans mehr als fünfzig Jahre währende Karriere, die früh schon dreispurig als Solist, Kammermusiker und Dirigent ausgelegt war, ist erfüllt mit auf mehr als hundert Einspielungen dokumentierten Höhepunkten der Violinliteratur von der Barockzeit über die Wiener Klassik bis zur Hochromantik und zu Béla Bartók.
Auch der lange vernachlässigten Viola hat er – etwa in einer wunderbaren Aufnahme von Mozarts Sinfonia concertante mit seinem Mentor Isaac Stern – seine Reverenz erwiesen. Heute kann Pinchas Zukerman vital wie eh und je seinen siebzigsten Geburtstag begehen, den er in einigen Tagen zum Abschluss der Ludwigsburger Schlossfestspiele beim Doppelkonzert von Brahms mit seiner Frau, der kanadischen Cellistin Amanda Forsyth, noch einmal klingend nachfeiern darf.