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Kündigungen am Staatsballett : Neue Leitung dringend gesucht

  • -Aktualisiert am

Wer kann Sasha Waltz (links) und Johannes Öhman im Berliner Staatsballett beerben? Bild: dpa

Der Schock sitzt tief: Nach der Kündigung von Waltz und Öhman braucht das Staatsballett Berlin dringend eine neue Leitung. Wer, bitte, soll die Direktion jetzt übernehmen?

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          Der Schock, den die Kündigung von Johannes Öhman und Sasha Waltz beim Staatsballett Berlin ausgelöst hat, sitzt tief. Zum 31. Dezember 2020 sind die weg! Was da gerade begonnen hatte, muss als State of the Art of Ballet Direction gelten, um Klassen besser als alles, was die Vorgänger Vladimir Malakhov oder gar Nacho Duato zeigten. Es packt einen die Angst, wenn man zurückschaut. Und da wir für die Zukunft am besten sorgen, indem wir die Vergangenheit genau analysieren, müssen wir uns der aufkommenden Zukunftsangst stellen. Denn wer, bitte, soll die Direktion jetzt übernehmen? Und wer, bitte, soll darüber entscheiden dürfen?

          Das wären die ersten Fragen an die Berliner Senatsverwaltung für Kultur. Alle wussten, dass Klaus Wowereit Nacho Duato toll fand und ihn mehrmals bekniet hatte, nach Berlin zu kommen. Leider kam er dann beim dritten Mal. Eine erneute Chefsache gilt es zu vermeiden. Wünschenswert wäre, eine international besetzte Expertenkommission einzuberufen, die Vorschläge unterbreitet. In dieser Kommission könnte etwa Alistair Spalding sitzen, Direktor des „Sadler’s Wells Theatre“ in London und aktiver Ratgeber und Beschützer des Erbes von Pina Bausch, ferner Claire Verlet, Tanzdirektorin im „Théâtre de la ville“, Paris, aus der klassischen Welt etwa Choreograph Hans van Manen und Stiftungsdirektorin Birgit Keil und Brigitte Lefèvre, ehemalige Ballettchefin der Pariser Oper, Justin Peck, Hauschoreograph am „New York City Ballet“, und Wendy Whelan, seine neue Direktorin, und warum nicht auch der Ex-Chefkritiker der „New York Times“, Alistair Macaulay.

          Was für eine Persönlichkeit gesucht wird, ist ziemlich klar: Es sollte, wie Öhman, kein Choreograph sein. Benjamin Millepieds Leitung des Pariser Opernballetts zählte weniger Tage, als seine Tänzer an einem einzigen Tag Battements Tendus ausführten. Mauri Bigonzetti streckte an der Mailänder Scala die Waffen ebenfalls sehr schnell. Es leiten auch nicht Maler wie Katharina Grosse oder Gerhard Richter das Haus der Modernen Kunst, Botho Strauß war und ist auch kein Theaterdirektor.

          Der Kanadier Paul Chalmer wäre eine sehr gute Wahl

          Es darf kein Kurator sein, sondern jemand, der klassisch getanzt hat und darum weiß, was klassische Tänzer brauchen, was man von ihnen verlangen kann und wie man sie dabei unterstützt, als Ensemble zusammenzuwachsen und sich zu steigern. Außerdem muss diese Person ausgezeichnete Kenntnisse der Ballettwelt und ihrer Werke besitzen und gute Verbindungen haben. Öhmans großer Coup im November 2018 war die Premiere von „La Bayadère“ in einer durch den renommierten russischen Choreographen Alexei Ratmansky restaurierten Version des Petipa-Originals von 1877. Um diese Premiere beneidete die Welt Berlin.

          Gleichzeitig darf die Auffassung dessen, was der zeitgenössische Tanz auch für Ballettcompagnien bedeuten kann, weder konventionell und unintellektuell noch kommerziell, noch am postchoreographischen Tanz orientiert sein. Die zeitgenössischen Choreographen, die an ein so großes Ensemble kommen sollen, muss eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erwarten, nicht die Angst, in die Probendispositionslücken von größeren Produktionen des aktuellen Spielplans gestopft zu werden.

          Öhman und Waltz war das mit Sharon Eyal vorbildlich gelungen, erst gab sie ihnen ältere Stücke für das Repertoire, dann erarbeitete sie sogar eine Uraufführung am Haus. Nennen wir für einmal Namen! Zu denken wäre an Tamara Rojo, die sehr führungsstarke Starballerina und Direktorin des English National Ballet. Ihr steht die Russin Diana Vishneva in nichts nach, außer dass sie noch keine Leitungserfahrung sammeln konnte. Dafür ist sie eine weltweit verehrte Tänzerin und Lieblingsinterpretin Alexei Ratmanskys, des bedeutendsten klassischen Choreographen, und sie leitet in Moskau ihr eigenes Tanzfestival. Drittens ist Ingrid Lorentzen seit 2012 sehr erfolgreich als Direktorin des Norwegischen Nationalballetts in Oslo. Thiago Bordin wäre mit 36 Jahren der jüngste mögliche Kandidat, er choreographiert, allerdings würde er nie diese Ambitionen über die Arbeit des Ballettdirektors stellen.

          Im Grunde wäre auch der erfahrene Kanadier Paul Chalmer eine sehr gute Wahl, er kennt die deutschen Theaterverhältnisse als Ballettmeister an den Opern von Dresden und Leipzig so wie als Ballettdirektor in Leipzig. Zuletzt war er in München mit einem ausgezeichneten Konzept in der letzten Runde, die dann allerdings Igor Zelensky gewann.

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