Staatsballett Berlin : So schön, so furchtbar, so klar
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Herrlich erschreckend: Das Staatsballett Berlin mit der Choreographie „Half Life“ von Sharon Eyal. Bild: dpa
„Celis/Eyal“ ist der große erste Abend des Staatsballetts Berlin unter der neuen Leitung – und beweist, dass die Compagnie es zu internationaler Geltung bringen kann.
Jetzt ist es vorbei. Endlich! Johannes Öhman, der neue Direktor des Staatsballetts Berlin, hat mit der ersten Premiere eine riesengroße Grabplatte auf dessen jüngere unbedeutende Vergangenheit fallen lassen. Die Idee, was eine solche führende Compagnie tun müsste, ist mit dem Ballettabend „Celis/Eyal“ – nach den Choreographen Stijn Celis und Sharon Eyal benannt – glanzvoll und kompromisslos wiederbelebt worden. Natürlich waren das aufgrund des kurzen Vorlaufs keine Uraufführungen, sondern zwei in Schweden entstandene großartige zeitgenössische Ballette. Aber zwei auf unterschiedliche Weise radikale Stücke, brillant getanzt von einer nicht wiederzuerkennenden Truppe, beweisen gleichsam aus dem Stand, dass das neue Staatsballett, dessen Ko-Direktion Sasha Waltz ab 2019 übernimmt, internationale Geltung erringen kann. Endlich!
Denn es war doch wirklich eine sehr lange Zeit, in der sich das Staatsballett nicht in jener Form und Verfassung befand, in der es sich kraft seiner Tänzerzahl und Bühnengröße, seiner Ausstattung und seines Anspruchs hätte befinden müssen. Das ist kein Vorwurf an die Tänzer, sondern an die Politik. Vladimir Malakhov erfüllte viele Hoffnungen, die der Tänzer weckte, als Ballettdirektor nicht. Sein Nachfolger, Nacho Duato, war von Anfang an die falsche Wahl. Das Verständnis des Spaniers von zeitgenössischem Tanz war von gestern, und seine Klassikerversionen entstanden ohne jeden Kontakt zu dem, was man inzwischen über dieses Ballett weiß. Außerdem galt Berlin immer nur seine halbe Kraft, und die Politik hat es ihm durchgehen lassen.
Ungeschminkt und wahrhaftig
Nun ist er also vorzeitig als Direktor des Staatsballetts Berlin zurückgetreten. In Berlin blieb ein Staatsballett von 88 Tänzern zurück, von denen sich einige vor der Zukunft ohne Nacho Duato zu fürchten begannen. Die designierten Ko-Direktoren Johannes Öhman und Sasha Waltz schienen ihnen nicht klassisch genug ausgerichtet zu sein. Nun konnte man sich in der Tat fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, Sasha Waltz als Hauschoreographin an das Staatsballett zu binden, sie, die nie eine Leitungsfunktion an einer großen, klassisch ausgerichteten Institution ausgefüllt hatte und deren Interesse daran man nicht unbedingt vermutet hätte. Aber eine Arbeitsteilung, wie sie Johannes Öhman im Gespräch mit dieser Zeitung anschaulich begründete, ist von nachvollziehbarem Vorteil für die beiden und liegt auch irgendwie in der Luft. Autokratische künstlerische Führung von Ensembles hat einen schlechten Ruf. Vielleicht schaffen es Waltz und Öhman, nicht nur das Staatsballett Berlin endlich zu der Bedeutung zu führen, die es kraft seiner Ressourcen international längst haben müsste. Womöglich zeigt ihre Zusammenarbeit auch, dass der Gegensatz von „klassisch“ und „modern“ kein Widerspruch ist.
Gegeben die Tatsache, dass Johannes Öhman wegen Duatos vorzeitigem Abschied ein Jahr früher als geplant die Arbeit aufgenommen hat und Sasha Waltz erst 2019 dazukommen wird, war der erste von ihnen verantwortete Ballettabend der neuen Spielzeit sehr beeindruckend – fabelhaft getanzt vor allem. Der aus Stockholm mitgebrachte Ballettmeister Stephan Laks, der auch für die Einstudierung des Eröffnungsstücks „Your Passion is Pure Joy to me“ von Stijn Celis zuständig war, hat in der kurzen Zeit das Erscheinungsbild der Tänzer verändert. In Duatos glatten, gefälligen Stücken sahen die Tänzer oft auf oberflächliche Weise gut aus, und sie tanzten wie fürs Hochglanzmagazin. In Stijn Celis’ Choreographie tragen sie T-Shirts oder Unterhemden, fast nichtssagend schlichte Hosen und Röcke in Farben, die man sofort wieder vergisst. Doch wie ungeschminkt und wahrhaftig, wie ernst und ehrlich treten die Figuren ihrem Publikum entgegen!