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Bardentreffen in Nürnberg : Weltmusik im Bratwurstidyll

  • -Aktualisiert am

Neben den Bands auf den Bühnen erwartet Nürnberg am Wochenende wieder mehrere hundert Straßenmusiker - vielleicht auch den Geiger Klaus. Bild: Stadt Nürnberg

Was ist das eigentlich, ein „Bardentreffen“? Aus einem Wettstreit für Liedermacher ist in Nürnberg ein weltläufiges Festival geworden. An diesem Wochenende wird das vierzigste Jubiläum gefeiert.

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          Die „Bardenschleuder“ gibt es wohl leider nicht mehr. Das war ein VW-Bus, mit dem die Künstler des Nürnberger Bardentreffens zum Auftrittsort gefahren wurden. Der Liedermacher Günter Stössel sitzt über den Dächern seiner fränkischen Heimatstadt und überlegt, welche Farbe die alte Schleuder wohl hatte. „Blau“, sinniert er, „aber das sage ich jetzt wahrscheinlich nur, weil ich gerade auf einen blauen Sonnenschirm schaue.“

          Jan Wiele
          Redakteur im Feuilleton.

          Die Anfänge des Bardentreffens liegen aus heutiger Sicht tatsächlich in blauer Ferne. Man schrieb das Jahr 1976, als es zum ersten Mal stattfand: Zum vierhundertsten Todestag des Meistersingers Hans Sachs wurde es in dessen Tradition als Wettbewerb für moderne Barden begründet. Stössel war selbst als Lokalmatador dabei, er spielte damals seinen „Globetrottel-Rag“, den die Lokalzeitung als „Kalauer-Slalom“ würdigte, und gewann dafür einen Sonderpreis. Den Hauptpreis, eine zweiwöchige Busfahrt ans Mittelmeer, erhielt ein Mann namens Klaus-Gerhard Rau aus Kirchzarten mit seinem Lied „Reden, reden, reden“. Es karikiert das Klatschen und Tratschen auf dem Dorf. Den zweiten Platz belegte Anni Becker, sie sang: „Alte Schachteln dürfen lieben, aber junge Mädchen nicht.“ Mit so etwas könnte man heute den Eurovision Song Contest wohl vollkommen aus der Bahn werfen.

          40 Jahre Liedermacher : Vorschau aufs Nürnberger Bardentreffen

          Das deutschsprachige Lied, dieses alte Chamäleon, hat sich im Laufe seiner Geschichte auf fast unglaubliche Weise immer wieder gewandelt - und längst auch das Bardentreffen in Nürnberg. Nach den ersten Jahren, die vom Amateurcharme geprägt waren, folgte ein Professionalisierungsschub, der es vom unverstärkten Klappstuhlkonzert zum durchorganisierten Event machte. Das gefiel damals manchen nicht: Von Zwischenrufen gegen das „Konsumfestival“ berichtet etwa ein Artikel aus der „Zeit“ von 1980. Allerdings sind bis heute alle Konzerte kostenlos, es ist ein Festival, das sich die Stadt leistet, und das ist heutzutage durchaus nicht mehr selbstverständlich.

          Der Wettbewerbsgedanke wurde bald aufgegeben, stattdessen vergrößerte sich stetig die Veranstaltung: Bald gab es mehrere Spielorte, die sich über die Altstadt verteilen. Als 1984 der Programmpunkt „In der Fremde singen“ eingeführt wurde, bei dem „Gastarbeiter“ die Musik ihrer Länder vorstellten, wurde auch dies noch stark kritisiert: Man verstehe die Texte ja nicht, hieß es. Auch das ist lange her. Längst ist das Bardentreffen ein internationales Festival geworden, das sein Programm der Weltmusik geöffnet hat. Der Name „Bardentreffen“ mag da zwar manchem unangemessen oder irreführend erscheinen, es geht hier schließlich nicht um Mittelalter-Folk, aber längst ist dieser Name auch zu einem bewährten Qualitätsbegriff geworden: Immer am ersten Wochenende der bayerischen Schulsommerferien kommen Zehntausende Menschen in die Nürnberger Altstadt, längst nicht nur Ortsansässige, um dort Fado-Sängerinnen neben Country-Musikern auftreten zu sehen - oder einen iranischen Trommelspieler wie Hadi Alizadeh.

          Meister der persischen Trommel: Hadi Alizadeh
          Meister der persischen Trommel: Hadi Alizadeh : Bild: Stadt Nürnberg

          Der sitzt nun zusammen mit dem Altbarden Stössel mit uns auf dem Dach und erzählt von den Anfängen seiner Trommelleidenschaft in Iran: Sie war so groß, dass er jede Woche viele Stunden Anreisezeit in Kauf nahm, um wenige Minuten Unterricht auf der persischen Tonbak-Trommel bei einem Meister in Teheran zu erhalten. Als freier Künstler hatte er es aber nicht nur in Iran schwer, sondern zunächst auch in Deutschland. Irgendwann habe er sich jedoch bewusst entschieden, nie mehr etwas anderes machen zu wollen, erzählt er.

          Mit dieser Entscheidung dürfte er auf dem Bardentreffen in guter Gesellschaft sein - denn nicht nur die vielen etablierten Musiker und Bands des Hauptprogramms wollen dort von diesem Donnerstag an bis Sonntag Gehör finden, sondern auch noch fünfhundert bis tausend Straßenmusiker. Das wird oft eng und führt auch schon mal zu Verkehrschaos, erzählt der Kulturreferent Andreas Radlmaier, während wir zusammen mit dem Festivalleiter Rainer Pirzkall die Spielorte der Altstadt inspizieren. Im Handwerkerhof gleich vor dem Bahnhof hat damals alles begonnen: Heute mutet die neu aufgebaute Bratwurst-Fachwerkidylle etwas arg touristisch an. Aber längst wäre der Handwerkerhof wohl auch ein bisschen eng für die vielbesuchten Bardenkonzerte. Die Bühne mit dem Schwerpunkt für Musiker aus der Region steht inzwischen am Lorenzer Platz, wo am kommenden Wochenende zum Beispiel der zwanzigjährige Stefan Beranek aus dem benachbarten Lauf auftritt, der auf Englisch singt („Summer Feeling“), oder die Band „The Très Biens“, die ihren Musikstil als „Pub-Rock aus Fürth“ beschreibt.

          Panflöten mit Dieselgenerator

          Für die leisere und lyrikbetonte Musik ist eine Stadtfest-Atmosphäre freilich auch eine Gefahr. Wenn sich alle verhalten wie beim Pub-Rock, kann ein Liedermacher schnell untergehen. Auch die Straßenmusiker kommen heute oft mit Verstärkern. „Wenn jeder seinen aufdreht, wird es schwierig“, räumt Pirzkall ein. Radlmaier erinnert sich an den Sound der Dieselgeneratoren von Panflötengruppen. Als gebürtiger Nürnberger hat er schon so manches Bardentreffen miterlebt, bevor er selbst zum Organisator wurde. Den Straßenmusik-Charme des Festivals will er trotzdem gewahrt wissen: Ziel sei es, sagt er, „die Straßenmusik vierzig Zentimeter übers Pflaster zu heben“.

          Nämberch English spoken: Günter Stössel spielt bei einem frühen Bardentreffen auf dem Tiergärtnertorplatz
          Nämberch English spoken: Günter Stössel spielt bei einem frühen Bardentreffen auf dem Tiergärtnertorplatz : Bild: Stadt Nürnberg

          Als Ort für die intimeren Auftritte mit konzentrierten Zuhörern bietet sich die Ruine im Katharinenkloster an, wo sich ehedem auch schon die Meistersinger versammelten und diesmal etwa die portugiesische Sängerin Gisela João auftritt. Von dort führt uns der Weg von der Lorenzer in die Sebalder Altstadt über die Pegnitz und dabei auf die Insel Schütt. Hier wird das Nürnberger Sommergefühl seit einiger Zeit nicht durch fränkische Bierkneipen, sondern durch Caipirinha-Stände und zusammengezimmerte Lounge-Bars erzeugt, doch wenn die Barden kommen, muss diese Kulisse am sogenannten Stadtstrand weichen. Ein ziemlich besonderer Auftrittsort, den wir dann noch besuchen, ist der Kreuzigungshof im Heilig-Geist-Spital - denn dieses Gebäude ist heute ein Seniorenheim. Im Konsens mit den älteren Herrschaften werde es hier keinen Techno geben, sagt Radlmaier, eher satirische Musik. Zwischen Sandsteinbögen und Oleanderbüschen findet außerdem die Konzertgesprächsreihe „Zugabe“ statt, in der besonders Musiker aus dem Ausland berichten werden, „was sie antreibt oder warum sie Lieder schreiben“.

          Ein bisschen Lokalpatriotismus darf natürlich zum vierzigsten Jubiläum des Festivals auch sein. Günter Stössel tritt dieses Jahr mit einer Hommage an den verstorbenen Nürnberger Sänger Maximilian Kerner auf, dessen größter Erfolg „Iech bin a Glubberer“ bis heute gern von Fans des 1. FC Nürnberg gesungen wird. Dazu gibt Stössel bestimmt auch Kostproben seines in der Region beliebten „Nämberch English“ („Grease inner!“, „shower mall rye doe“) - und, wer weiß, vielleicht auch noch einmal den „Globetrottel-Rag“?

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