Klassik-Alben zum Verschenken : Für das höchste der Gefühle
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Das „Haydn-Quartett“: Aquarelldruck der Firma Franz Hanfstaengl, München, nach dem Gemälde von Julius Schmid (1854 bis 1935) Bild: culture-images/Lebrecht
Wer jetzt noch kein Geschenk hat, muss halt noch eines kaufen. Am besten eines, in dem Musik drin ist. Den immer noch Unentschlossenen empfehlen wir Aufnahmen, auf denen bisweilen blödsinnig schön gespielt und gesungen wird – damit zu Weihnachten kein Wunsch offenbleibt.
Mit dem Streichquartett habe Joseph Haydn eine „moderne Gattung“ begründet, behaupteten einst kühn Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn. Unser Bild, ein verlorengegangenes, nur noch in Kopien vorhandenes Gemälde, zeigt etwas anderes, eine verbürgte historische Situation: Haydn an der Primgeige, links daneben in Hellblau der junge Mozart, der die zweite Geige spielt, dahinter, stehend, Vater Leopold Mozart.
In wie vielen Wohnzimmern macht man denn heute noch auf diese sozial vernetzende Weise miteinander Hausmusik? Wer hat noch Personal, das herbeieilen könnte, Freunde, die hinter der Tür lauschen? Das Höchste der Gefühle familiären Musizierens sind die drei trötenden Blockflöten unterm Weihnachtsbaum, die zurzeit allabends in der Fernsehwerbung auftauchen. Sicher, nur ein blödes Klischee. Es enthält aber den wahren Kern, dass es mit der Musikerziehung, auch der, die qualifiziertes Zuhören lehrt, ganz erbärmlich aussieht. Und die Gattung Streichquartett ist inzwischen umgezogen in den Konzertsaal.
Auf freiem Fuß, aber doch gefangen
Kurz vor dem zweiten Advent gab der Primgeiger des Leipziger Streichquartetts, Stefan Arzberger, seinen Ausstieg bekannt. Er wolle den Kollegen „Planungssicherheit“ ermöglichen und die Zukunft nicht verstellen. Vier Tage später meldeten sich die übrigen drei zu Wort: Sie würden, nach Rücksprache mit dem Label, die auf sechzehn CDs projektierte Gesamtaufnahme aller Haydnschen Streichquartette auf keinen Fall ohne, nur mit Arzberger vollenden. Eben ist das neunte Album herausgekommen, mit dreien der sechs „Sonnenquartette“ Hob. III 31-36. Wann und wo die restlichen sieben CDs eingespielt werden sollen, steht in den Sternen. Hinter den knappen Presseerklärungen aber steht ein Albtraum.
Arzberger war im März dieses Jahres in einem New Yorker Hotel in eine Situation geraten, wie man sie aus sehr schlechten Drehbüchern kennt. Vermutlich nach Verabreichung von K.-o.-Tropfen hatte man ihn ausgeraubt. Anschließend lief er, in Trance und unbekleidet, durch den Hotelflur, klopfte an Türen und würgte eine Dame, die ihm öffnete. Seither steht er unter Anklage des Mordversuchs. Er hat kein Arbeitsvisum mehr, aber auch keine Ausreiseerlaubnis, ist zwar auf freiem Fuß, aber doch gefangen. Sein Verfahren wird laufend vertagt. Dass die amerikanische Justiz den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ nicht kennt, ist die eine Sache. Dass das deutsche Konsulat den Fall beobachtet, aber nicht eingreift, eine andere. Es gibt jedoch private Initiativen (siehe www.support-for-arzberger.com), die versuchen, diesem ausgezeichneten Geiger, der gewiss kein Krimineller ist, zu helfen.
Trost in der Tradition
Eine Besonderheit an Haydns Quartetten op. 20 ist, dass die vier Instrumente hier erstmals konsequent in die volle Gleichberechtigung entlassen sind. Die Symbiose ist gleichwohl vollkommen. Für das Leipziger Streichquartett, das sich zusammensetzt aus ehemaligen Gewandhausmusikern, steht ein gesangliches Legatospiel im Sinne der alten Schule ganz oben. Ein schönes Beispiel: das engelsgleiche Cantabile im dritten Satz, Affetuoso e sostenuto, aus op. 20 Nr. 1, dem ein weihnachtlicher Siciliano-Rhythmus unterlegt ist. Die vier Instrumente singen wie aus einem Mund. Nur für vier Takte darf Arzbergers erste Violine ausbrechen, um eine Girlande zu legen über die Feststimmung. Eine weitere Neuerung sind die strengen, ernsten Schlussfugen. Haydn suchte Rat, wenn nicht gar Trost in der Tradition. Im fünften Sonnenquartett fugiert er ein Thema aus dem „Messias“, aus dem Chor „Durch seine Wunden sind wir geheilt“.