Jochen Jung wird achtzig : Spürsinnig und witzig
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Jochen Jung Bild: Ullstein
Meister der paradoxen Argumentation: Er dichtet fanatisch gerne und hat den Fortbestand des von ihm gegründeten Verlags gerade gesichert. Heute wird Jochen Jung achtzig Jahre alt.
Der Glückwunsch zum heutigen Geburtstag gilt zugleich auch dem Fortbestand des vom Jubilar gegründeten Verlags. Jochen Jung hat kurz vor Erreichen des neunten Lebensjahrzehnts seine Lebensleistung gesichert, indem er seinen seit 2000 bestehenden Verlag Jung und Jung an Daniel Kampa verkauft hat. Der schmiedet gerade an einem (noch) kleinen Buch-Imperium, denn zum eigenen Kampa-Verlag und dessen Imprints Atlantis und Oktopus ist 2021 nicht nur Jung und Jung gestoßen, sondern auch der gleichfalls stark auf die Gründerpersönlichkeit zugeschnittene Schöffling-Verlag in Frankfurt am Main. Jochen Jung wird wie Klaus Schöffling dem Angebot aus Zürich auch deshalb nachgekommen sein, weil damit weiter für Inhaberführung gesorgt ist, während bei einem großem Buchkonzern das eigene Erbe unsichtbar hätte werden können – siehe den Untergang diverser traditioneller Verlagsnamen zugunsten der bei Random House kürzlich neu geschaffenen deutschen Penguin-Marke.
Bei Jung und Jung war alles immer sehr persönlich und sehr qualitätsvoll; als Kleinverlag gelang ihm sogar ein doppelter Triumph beim Deutschen Buchpreis: 2010 mit „Tauben fliegen auf“ von Melinda Nadj Abonji und 2012 mit Ursula Krechels „Landgericht“. Regelmäßig landeten zudem andere Jung-und-Jung-Bücher auf der Shortlist dieses vielbeachteten Preises – eine Bestätigung des literarischen Spürsinns von Jochen Jung, der zuvor 25 Jahre lang bei Residenz gearbeitet hatte, davon mehr als die Hälfte als Geschäftsführer.
Residenz war und ist der namhafteste literarische österreichische Verlag, aber mit dem in Salzburg angesiedelten Jung und Jung schuf der 1942 in Frankfurt am Main geborene Deutsche echte Konkurrenz. Kein Wunder, dass sein Haus für Peter Handke zum Zweitverlag neben Suhrkamp wurde, wenn es um weniger publikumsträchtige Veröffentlichungen wie etwa seine Notizbücher ging. Der nächste Aufzeichnungsband Handkes wird im März erscheinen – Abschiedsgeschenk an den zum Jahreswechsel ausgeschiedenen Verleger.
In der Verlagsvorschau aufs Frühjahrsprogramm von Jung und Jung verabschiedet sich Jochen Jung von den Buchhändlern. „Altersgründe“ für sein Ausscheiden nennt er dort, aber wer ihn hat agieren, auch selbst schreiben (Jung dichtet fanatisch gerne und sehr witzig) sehen, der weiß, dass es wohl eher rationale als akute Erwägungen gewesen sind, die ihn zum Rückzug aus seinem geliebten Metier bewegt haben. Das starke Programm, so schreibt er, mache ihm den Abschied leichter. So wunderbar paradox hat er immer argumentiert. Wir gratulieren.