Zukünftige Weltordnung : Unter dem einen chinesischen Himmel
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In seinem neuen Werk schwärmt der Philosoph Zhao Tingyang vom chinesischen Altertum. Bild: dpa
Misstrauen gegenüber der Demokratie statt westlichen Werten: Der chinesische Philosoph Zhao Tingyang springt in seinem Buch vom Altertum zur zukünftigen Weltordnung.
Zhao Tingyang, Jahrgang 1961, also nach der maoistischen Periode, die 1978 endete, intellektuell sozialisiert, ist Professor für Philosophie in Peking. Mit einem Zitat aus der „Washington Post“ präsentiert ihn der Verlag auf der Rückseite dieses Buches als „einen der einflussreichsten zeitgenössischen Philosophen Chinas“. Einflussreich auf wen? Auf die obersten Führungszirkel des Landes? Auf eine breitere intellektuelle Öffentlichkeit? Einflussreich in der kleinen kritischen Minderheit Chinas, der die offiziellen Medien und die großen Verlage verschlossen sind? Das ist nicht dasselbe. Einflussreich scheint er jedenfalls in Frankreich zu sein, wo ihn mehrere Übersetzungen bekanntgemacht haben.
Man soll ein Buch nach seinem Inhalt beurteilen. Dennoch schadet es nicht, einen Autor grob in seinem Wirkungsfeld zu plazieren. Zhao ist weder ein Parteiideologe und simples Sprachrohr des Regimes noch ein Dissident. Er gehört zu denjenigen, die man establishment intellectuals genannt hat. Das sind Wissenschaftler von hohem Status im akademischen System Chinas, Inhaber komfortabler Lehrstühle und nicht selten auch von Zweitprofessuren in den Vereinigten Staaten oder Australien, von der Zensur nicht betroffen oder so weit angepasst, dass sie keinen Anstoß erregen. Diese Etablierten sind durchaus nicht einer Meinung. Es gibt unter ihnen „Linke“, die in China weiterhin Klassenunterschiede erkennen und eine gewisse Mao-Nostalgie pflegen, „Liberale“, die auf Rechtsstaatlichkeit bestehen, auch wenn sie das Machtmonopol der Parteien nicht in Frage stellen, und „Konservative“, die sich gerne auf den Konfuzianismus berufen, besonders seine hierarchisch-autoritären Aspekte. Was sie von der Kommunistischen Partei Chinas unter Xi Jinping halten, verraten sie alle wohlweislich nicht. Mit dem obersten Führer – und großen Teilen der Bevölkerung – träumen sie allerdings den „chinesischen Traum“: das Land in jeder denkbaren Beziehung an die Weltspitze zu führen.
Zhao Tingyang, an der staatstragenden Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften tätig, sagt das nicht offen. Seine Philosophie der „Weltordnung“, die mit sorgfältigen Begriffsdefinitionen zwar nicht widerspruchsfrei, aber doch transparent konstruiert ist, verfolgt kein nationalistisches Programm. Sie ist keine krude „China first“-Lehre. Ebenso wenig lässt sie sich auf eine Apologie neo-imperialer Expansion reduzieren. Das verbindet sie mit dem kanonischen Xi-Jinping-Denken: Dessen propagandistisches Axiom besagt, China sei weder ein normaler Nationalstaat noch ein Reich neuen Typs. Sein Aufstieg liege im Interesse der gesamten Welt. Es baue – etwa durch die Infrastrukturprojekte der Neuen Seidenstraße, seine Einflusspolitik in Afrika und die soft power der Konfuzius-Institute – kein machtgestütztes Imperium alten Stils auf, sondern verteile uneigennützig Wohltaten und übe eine gütige Hegemonie aus, unter der sich die Schwachen in Sicherheit entwickeln könnten.