Wilhelm Hauff : Schreckenswerk: „Geschichte von der abgehauenen Hand“
- -Aktualisiert am
Grab von Wilhelm Hauff, 1802 - 1827 Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb
„Hauffs Märchen“ ist eine Sammlung von Stücken ohne onkelhafte Töne oder die Spur von Poesie. Stattdessen gibt es tote Seeräuber. Kurz gesagt: auf jeder Seite lauerte der Schrecken.
Von dem, was ich als Kind gelesen habe, ist mir nicht allzuviel im Gedächtnis geblieben. Ich fraß mich damals ziemlich wahllos durch die Jugendabteilung unserer Stadtbücherei. Ein Buch allerdings werde ich nie vergessen. Es waren „Hauffs Märchen“, in einer eindrucksvoll illustrierten Ausgabe.
Da fand man weder onkelhafte Töne noch die Spur von Poesie, sondern tote Seeräuber, denen man Nägel durch die Stirn getrieben hatte, oder hartherzige Schwarzwaldbewohner, die ihre Mütter verstießen - kurz gesagt, auf jeder Seite lauerte der Schrecken. Die schlimmste aller Geschichten war die von der „abgehauenen Hand“. Sie wird von Zaleukos erzählt, dem ernstesten jener orientalischen Kaufleute, zu deren Karawane ein geheimnisvoller Fremder stößt.
Heute mit Lauterbach und Adorf in den Hauptrollen
Zaleukos, ursprünglich Arzt, hatte es nach Florenz verschlagen, wo er Salben und Tinkturen verkaufte. Eines Nachts wird er zu einem makabren Auftrag überredet: Ein Maskierter bietet ihm vierhundert Zechinen dafür, daß er den Kopf seiner toten Schwester vom Körper trennt, auf daß dieser in der Ferne ein letztes Mal dem Vater gezeigt werden könne - so verlange es der Familienbrauch. Vierhundert Zechinen!
Die Verblichene erweist sich als ein äußerst hübsches, nur leider eben doch noch ziemlich lebendiges Kind, nämlich als Bianka, die schlafende Tochter des Gouverneurs und schönste Blume von Florenz, der der unglückselige Zaleukos mit einem einzigen Schnitt die Kehle durchtrennt. Wie sie noch einmal die Augen öffnet und mit einem tiefen Seufzer ihr Leben aushaucht, während das heiße Blut emporschießt - das ist eine Szene, die eigentlich nicht in die Kinderbuchabteilung gehört.
Gleichwohl: Die Gerechtigkeit wird mühsam wiederhergestellt, Zaleukos zur Strafe die Hand abgehauen, der Erzähler kriegt die Kurve, indem er die Motive des maskierten Schurken enthüllt, und was soll man am Ende sagen? Es ist der Fremde aus der Wüste, kein Geringerer als der edle Räuber Orbasan. Heute würde man daraus vielleicht einen Dreiteiler machen. Mit Heiner Lauterbach und Mario Adorf in den Hauptrollen. Damals allerdings durfte ich nicht einmal fernsehen. Aus pädagogischen Gründen, warum sonst?