Missachtet man die Chronologie seiner Bücher, zeichnet sich im Werk des amerikanischen Fotografen Mitch Epstein ein Weg ab, der vom Leben zu Hause und dem väterlichen Unternehmen, einem Möbelgeschäft in einer Kleinstadt in Massachusetts, über die Großstadt New York schließlich zu ausgedehnten Reisen durch Teile der Vereinigten Staaten führt, während derer er sich mal den mitunter bizarren Leidenschaften der Menschen, mal deren heiklem Umgang mit Ressourcen widmet. Wie sehr ihn dabei von Beginn an Fragen nach Recht und Besitz, nach Einflussnahme und Anspruchsdenken beschäftigt haben, wird erst jetzt, mit seinem jüngsten Buch „Property Rights“, deutlich – ein Bildband mit fast dreihundert Fotografien, für den Epstein vier Jahre lang Orte und Personen besucht hat, die der oft drastisch laxe Umgang mit Eigentumsrechten in teils desaströse Verhältnisse gebracht hat. Manches ist dabei symbolisch ausgeführt und so auch von Epstein gezeigt, anderswo war es ihm um den direkten Einfluss auf einen Alltag zu tun, in dem es an Problemen und Schwierigkeiten nicht mangelt.
„Property Rights“ ist kein einfacher Begriff. Neben dem Eigentumsrecht bezeichnet er Schutzrechte, Vermögensrechte, Verfügungsrechte, sogar Urheberrechte. Und Mitch Epstein machte sich im Laufe seines Projekts die Vielfalt der Bedeutungen beherzt zunutze. Begonnen jedoch hat die Arbeit mit einem geradezu klassisch zu nennenden Fall von Landnahme. Das war 2017, als er in North Dakota das Sioux-Reservat Standing Rock besuchte. Sieben Stämme demonstrierten dort gegen eine Ölpipeline, deren Verlauf aus Furcht vor drastischen Umweltverschmutzungen kurzerhand geändert worden war und nun durch ihr Land führen sollte. Folgerichtig sahen sie jetzt ihr Trinkwasser in Gefahr. „Water is Life“, war das Motto, unter dem Tausende von Menschen zusammenkamen, in provisorischen Zeltlagern lebten und bei Minusgraden den Attacken des Sicherheitspersonals des Ölunternehmens ebenso widerstanden wie den Wasserwerfern der Polizei.
Er macht keinen Hehl daraus, wem seine Sympathien gehören
Dass es sich ausgerechnet um das Gebiet handelte, das Sitting Bull 1876 in der Schlacht gegen General Custer verteidigt hatte, erweiterte den Protest um eine historische Dimension. Alle Verträge, schreibt Dorothy Roland Sun Bear, eine Sioux, in Epsteins Buch zurückblickend bis ins neunzehnte Jahrhundert, seien von der amerikanischen Regierung gebrochen worden: „Amerika wurde auf gestohlenem Land errichtet.“ Präsident Obama verbot den Weiterbau der Pipeline, Präsident Trump hob das Verbot wieder auf.
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