Das Leben als Uni-Roman : Und oben thront eine oberpeinliche Figur
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Nicht ganz vorn in der Liga: Karen Ruoffs Roman spielt auf einem fiktiven Campus in Kalifornien. Bild: picture alliance / Xinhua News Agency
Intrigen auf dem kalifornischen Campus: Karen Ruoffs satirischer Roman „Academia“ entwirft ein ebenso ernüchterndes wie komisches Bild der Universität.
Das ist schon ein Campusroman der speziellen Art. Er bedient nicht die einschlägige Klaviatur des Hierarchien überbrückenden Geschlechtsverkehrs und nicht des sich ewig zu kurz gekommenen dünkenden akademischen Prekariats. Er versprüht vielmehr sein amüsantes Gift eine Ebene darüber, wo es um die Finanzmittelbeschaffung im ach so liberalen Milieu der Bildung geht und den Platz im Ranking der Universitäten. Am besten stellt man die Protagonisten namentlich samt ihren Funktionen vor. Denn die Namen sind Programm, und mit ihrer Nennung ist schon fast alles gesagt.
Im Zentrum der gar nicht so absurden Ereignisse steht die 33 Jahre alte Eve Braintree. Sie ist, noch ohne Festanstellung, die Direktorin des CMC, des Center for Media and Communications – kurz Medienzentrum genannten, noch kürzer „Club Med“ – an der fiktiven Parrington Simmons University in Kalifornien, kurz „PS“ genannt, was für Böswillige wie eine Art Nachschrift klingt, nicht ganz vorn in der Liga eben. Eve zur Seite tritt Windeshake Wonty III, Mittfünfziger und Alumnus der PS, zu Geld wie Heu gekommen durch ein selbstgeschaffenes Medienimperium. Des ebenso undomestizierten wie durchsetzungsstarken Windeshakes Freunde nennen ihn zärtlich Willy, seine Widersacher gleich „World War III“.
Gelegentlich wird im chaotischen Verlauf der diversen Handlungsstränge die Perspektive des Katers Dewey eingenommen. Der huldigt, kaum zufällig, einem nachgerade philosophischen Pragmatismus, zumal bei der selbstlosen Sorge um das Wohlergehen seines Frauchens Eve Braintree. Wobei er allerdings auch basisdemokratische Sympathien für die streikenden nichtakademischen Beschäftigten auf dem Campus hegt.
Zur Förderung unumschränkter Seelenruhe
An der Spitze der PS steht Hartley Kendall als ihr Präsident, eine oberpeinliche Figur von bemerkenswerter Kenntnisfreiheit und Haltungslosigkeit. Kendall hat gerade eine Mitteilung an sämtliche Abteilungen herausgegeben: „Veränderte Prioritätensetzung unter den Neuen Finanzpolitischen Rahmenbedingungen (NFR)“ – selbstredend ein fieser Euphemismus für Einsparungen, hinter denen außeruniversitäre Nebeninteressen stehen. Hier kommt Anna Nashinsova ins Spiel, die Gründerin einer, wie es heißt, „Art Missionsstation zur Förderung U_numschränkter S_eelenruhe“, mit dem „Akronym U_S“: „Der Blick eines U_Sers war nicht nach außen, also auf seinen Nächsten gerichtet, sondern nach innen, auf sich selbst. Indem er sich in die eigene Stille zurückzieht, liebäugelt der meditative Geist mit dem Ewigen und dem Unendlichen – Zeiträume und Orte, die gerade so weit gefasst sind, dass sie das Ego der Aufsteiger und derjenigen fassen, die schon wohlhabend sind.“ Aktuell wünscht Nashinsova den Erwerb einer Villa auf dem Grund des Vatikans in Rom, in enger Kooperation mit dem Präsidenten – sprich, die PS soll bezahlen. Für die Universität agieren als Geldbeschaffer-Duo Max Malone und Moritz Flapp, ausweislich seiner Visitenkarte „Magister Artium, Special Accounts Specialist“.
In einer Nebenrolle kommt der minderbegabte, sich im Kampf um seinen Status windende Historiker Sal Mander von außen gerade recht: „Er brachte ein Manifest über die Geschichtsschreibung der Zukunft zu Papier: nicht über zukünftige Historiker der Vergangenheit, sondern über das Schreiben der Geschichte, bevor sie sich ereignet. Was auch immer sich über die Vergangenheit zu sagen lohnte, war längst schon wieder und wieder gesagt worden. Aber an die Geschichte der Zukunft hatte sich bisher noch niemand gewagt: höchste Zeit, endlich damit anzufangen!“ Was läge näher, als den dafür ausgerichteten Kongress an der PS dem „Club Med“ des akademischen Jungstars Eve Braintree zuzuteilen? Um bei dieser Gelegenheit auch gleich den Erwerb eines Prunkbaus in Rom durch die Universität anzukündigen, als europäisches Standbein für allfällige Forschungsaufenthalte? Fürwahr genial. Und es wird buchstäblich irrsinnig komisch.