Totale Erziehung
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Helene Roches Geschichte der NS-Eliteschulen.
In der neueren Kulturtheorie konnte sich seltsamerweise erst langsam die Einsicht durchsetzen, dass ohne Bildungsgeschichte weder Zeit- noch Alltagsgeschichte zu haben ist. Das gilt besonders für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Keine seiner Gesamtdarstellungen berücksichtigt angemessen die Erziehungspolitik nebst der Wirkung ihrer Institutionen. Selbst Georg Bollenbeck, dem wir die einsichtsreichste Analyse des Verhältnisses von „Bildung und Kultur“ verdanken – er sprach zutreffend vom „Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters“ (1994) –, hatte die nazistische Perversion von Bildung in seiner Untersuchung ausgespart. Doch inzwischen kann als hinreichend gesichert gelten: Dem totalen Krieg ging ab 1933 die totale Erziehung voraus. Durch sie wurde ideologische Aufrüstung betrieben, schon bevor die deutschen Rüstungsbetriebe gegen die Auflagen des Versailler Vertrages auf Hochtouren zu produzieren begannen. Deutsche Hegemonie unter rassistischen Vorzeichen sollte durch erzieherische Maßnahmen und das Heranbilden von Führungskadern befördert werden.
Trotz einer Reihe von Vorarbeiten gab es bislang keine umfassende Darstellung dieser ideologisch aufgerüsteten Erziehungspolitik in Hitlers Reich. Diesem Mangel hat nun Helen Roche abgeholfen, und ihr Buch, „The Third Reich’s Elite Schools“ darf den Rang eines Standardwerks beanspruchen. Es widmet sich in erster Linie dem Kernbereich der erziehungspolitischen Institutionalisierung, den über das gesamte Reichsgebiet verteilten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NPEA), landläufig meist Napolas genannt, berücksichtigt aber auch andere nationalsozialistische Erziehungseinrichtungen, etwa die Adolf-Hitler-Schulen, die nicht selten in Wettbewerb mit den schon bald wirkungsmächtigen Napolas standen.
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