Fall ins Bodenlose
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Szene aus einer Verfilmung von George Orwells „1984“ aus den fünfziger Jahrten Bild: picture-alliance / akg-images
George Orwells Roman „1984“ war ein Besteller in Belarus. Nun wurde das Buch verboten – und sein Verleger verhaftet.
In der Warschauer Allee der Solidarität laden aus Belarus Geflüchtete zum Imbiss mit traditionellen Speisen. Der Name „Not 1984“ spielt auf die Radikalisierung staatlicher Repressionen in Belarus nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2020 an. Dort wurden jetzt der Klassiker von George Orwell „1984“ verboten und sein Verleger verhaftet. Andrej Januschkiewitsch hatte die Orwell-Übersetzung ins Belarussische durch den in Prag lebenden Journalisten Siarhei Šupa 2020 neu aufgelegt. Für wenige Monate wurde sie zum Bestseller, da er von vielen als dichte Beschreibung der belarussischen Wirklichkeit gelesen wurde.
Der Sicherheitsapparat des seit 1994 herrschenden Alexander Lukaschenka war bis zum vergangenen Jahr noch damit beschäftigt, die öffentlichen Orte zu zerstören, die als Resonanzräume gesellschaftlicher Veränderung die Massenproteste in Minsk und vielen anderen Städten vorweggenommen hatten. Danach dehnten die Uniformierten ihren Kampf auf die belarussische Sprache aus, die als Idiom des Protests gilt, weil die Beamten in Verwaltung, Staatssicherheit und Fernsehen mehrheitlich Russisch sprechen. Im Visier stehen unabhängige Verlage, die Gegenwartsliteratur und Publizistik auf Belarussisch veröffentlichen. Die Sprache hat wie Ukrainisch eine eigene Grammatik, Lexik und Syntax. Seit Gründung der Republik Belarus ist sie neben Russisch Staatssprache. Das hinderte die staatlichen Organe nicht daran, Verlage wie Knihazbor oder Internetbuchhandlung wie Knihi zu verfolgen.
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