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Historische Bibliotheken : Als die Bücher prunken lernten

Architektur der Überwältigung: Blick in den Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek Bild: Österreichische Nationalbibliothek/Johannes Hloch

Eine der schönsten Bibliotheken der Welt: Die Österreichische Nationalbibliothek hat ihrem Prunksaal neuen Glanz verliehen. Schon Karl VI. hatte ihre unentgeltliche Nutzung erlaubt – mit zwei Ausnahmen

          3 Min.

          Die Österreichische National­bi­blio­thek verknüpfte zwei Jubiläen, als sie unlängst den restaurierten Prunksaal wieder zugänglich machte. Vor dreihundert Jahren war Baubeginn, und vor dreihundert Jahren starb der Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach, der für Kaiser Karl VI. diesen bis heute überwältigenden Tempel der Gelehrsamkeit und barocken Prachtentfaltung plante. Joseph Emanuel Fischer von Erlach, der Sohn des Architekten, trat nach dem Tode des Vaters an dessen Stelle und begleitete den Bau bis zu dessen Eröffnung ums Jahr 1735; die Fassade trägt seine Handschrift.

          Hannes Hintermeier
          Feuilleton-Korrespondent für Bayern und Österreich.

          Kaiser Karl VI. (1685 bis 1740) kaufte in frühaufklärerischer Absicht viele wertvolle Bücher für die Hofbibliothek. Mit dem Prunksaal sollte eine architektonische Machtgeste geschaffen werden. Das ist gelungen. Der Saal ist Überwältigung pur, seine Dimensionen sprechen eine deutliche Sprache. Knapp 79 Meter lang, vierzehn Meter breit und beinahe zwanzig Meter hoch. Es gibt einen Kriegsflügel, in dem die Disziplinen Vermessung, Geographie, Geometrie, Schiffsbaukunst, Belagerungskunst und Militärmusik gewürdigt werden; der an die Hofburg grenzende Friedensflügel tut dies mit Numismatik, Astrologie, Astronomie, Wahrsagekunst, Heraldik, Medizin, Mechanik und Mineralogie. Und über allem thront das allegorische Deckenfresko des Hofmalers Daniel Gran, das die Apotheose Karls VI. im Gewölbe der Kuppel zeigt. Standhaftigkeit und Stärke werden als des Kaisers hervorstechende Tugenden ins Bild gesetzt.

          Herkules und Apollo sind mit einem Porträtmedaillon des Herrschers zu sehen, sie halten einen Höllenhund in Schach, der auf den Spanischen Erbfolgekrieg und den Türkenkrieg verweist. Darüber schwebt, mit einem Obelisken im Arm und einem Lorbeerkranz in der Linken, die Figur des immerwährenden Ruhmes. Die Hausgöttinnen der Habsburger, die kluge Regierung und die erfahrene Kriegskunst, sind von Büchern umgeben abgebildet. Weitere Göttinnen und Musen bevölkern das Bild, Germania sitzt neben Vienna, die ein grünes Kleid mit dem Wappen der Stadt trägt. Das goldene Herz verweist auf die Prachtliebe und das großzügige Gemüt des Kaisers. In blauem Gewand mit goldener Schärpe hat sich Gran am unteren Bildrand selbst ins Bild gesetzt.

          Nur Faule und Schwätzer sollten fernbleiben

          Im Prunksaal sind heute 200.000 Bücher aus den Jahren 1501 bis 1850 untergebracht. Mitarbeiter, die in das oberste Regalfach wollen, müssen achtzehn steile Stufen einer Podestleiter erklimmen. Prunkgloben von Vincenzo Coronelli schmücken den Saal, eine Statue feiert Karl als „Hercules Musarum“, als Förderer der Künste und Wissenschaften. Seit Mitte des sechzehnten Jahrhunderts war man auf der Suche nach einem geeigneten Standort für die Hofbibliothek gewesen, diese gestaltete sich schwierig: Vom Minoritenkloster wanderte die Bibliothek in die Hofburg, dann in ein Gebäude am Josefsplatz nahe den Bastionen, das während der Türkenbelagerung 1683 schwer beschädigt wurde. Von 1714 an wurde an Neubauplänen gearbeitet, gebaut wurde bis in die Mitte der Dreißigerjahre. Fischer von Erlach, der unter anderem die Kirche am Wiener Karlsplatz, die Salzburger Kollegienkirche und das dortige Schloss Kleßheim entwarf, hatte seine Auffassung einer an der Antike geschulten Baukunst in der Schrift „Entwurf einer historischen Architektur“ niedergelegt. Schon der Aufstieg zum Prunksaal über das früher eine Antikensammlung beherbergende Vorhaus und die Stiege, das mit antiken Grabplatten geschmückte Treppenhaus, lässt keinen Zweifel aufkommen, wo man sich befindet – im geistigen Zentrum von Wien als dem neuen Rom.

          Bereits dreißig Jahre nach Einweihung zeigten sich erste Bauschäden, es musste statisch nachgebessert werden. Auch in späteren Jahrhunderten litt der Bau. Im Revolutionsjahr 1848 wütete ein Brand, das Reiterstandbild Kaiser Josephs II. wurde nur durch eine Einhausung vor den Flammen gerettet. Die Schäden des Zweiten Weltkriegs wurden 1955 behoben. Dann folgte in der Nacht auf den 27. Januar 1992 der Brand der benachbarten Hofburg, mit einer Menschenkette wurden 10.000 Bücher aus der National­bi­blio­thek in Sicherheit gebracht. 2020 hat man die Pandemie genutzt, um die Beleuchtung zu erneuern, und im vergangenen Jahr die erste Grundreinigung seit 1955 unternommen. 128 Bücherschränke, siebzehn Statuen, zwölf Büsten aus Marmor und Stuckmarmor, zwanzig Pilaster erstrahlen in neuem Glanz; alle Bücher wurden gereinigt.

          Karl VI. hatte die unentgeltliche Nutzung der Bibliothek erlaubt, bei pfleglichem Umgang mit den Büchern stand sie allen Gebildeten offen – nur Faule und Schwätzer sollten fernbleiben. Dass der Bibliothekssaal noch heute „zu den schönsten der Welt“ zählt, wie die ÖNB behauptet, ist gewiss nicht übertrieben. Ein Haus, das eine Sammlungen von zwölf Millionen Objekten erhalten muss, braucht immer Geld. Deshalb appelliert am Eingang des Prunksaals ein Video quasi als Spendenbüchse an die Besucher, sich als Buchpate zu engagieren – so wie es unter vielen anderen Anne-Sophie Mutter, Johannes Paul II., George W. Bush, Jonas Kaufmann, Klaus Maria Brandauer, Donna Leon, Arnold Schwarzenegger und Howard Carpendale getan haben.

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