Katholische Kirche : Ein Abend unverblümter Attacken
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Den Nihilismus überwinden: Robert Kardinal Sarah, der Domkapellmeister Georg Ratzinger und Gerhard Ludwig Kardinal Müller im Schloss St. Emmeram. Bild: Brauer Photo
Die Fürstin von Thurn und Taxis lässt sich nicht lumpen, wenn es darum geht, erzkatholisches Gedankengut gegen deutschen Reformeifer in Stellung zu bringen. Ein Lokaltermin in Regensburg.
Schwarze Wolken ballen sich über Schloss St. Emmeram, es ist der Abend, an dem der Hochsommer seinen Abschied nimmt. Das Gemäuer gibt die Hitze der vergangenen Wochen in die Prunkräume ab, das handverlesene Publikum fächelt, tupft und wischt, darunter auffallend viele geistliche Herren in schwarzen Soutanen mit unterschiedlich abgestuften Würdefarben. Geladen hat die Hausherrin, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, es soll ein Buch vorgestellt werden, „Gott oder nichts“. Was in Rom zu den Üblichkeiten gehören mag, gerät in Regensburg doch zu einer veritablen Inszenierung, zumal als Hauptredner kein Geringerer als der oberste Glaubenswächter der katholischen Kirche aufgeboten ist, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, Fels in der Brandung des nihilistischen Zeitgeists.
Er preist das noch druckfrische Buch seines Kardinalskollegen Robert Sarah, einen Gesprächsband, der soeben nebst einem Vorwort von Georg Gänswein im Fe-Medienverlag erschienen ist. Kurienpräfekt Sarah wurde 2001 nach Rom berufen, dort leitet er derzeit die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Er stammt aus dem westafrikanischen Guinea, wo er 1979, mit dreiunddreißig Jahren, zum jüngsten Bischof jemals geweiht wurde – während der Herrschaft des kommunistischen Diktators Sekou Touré. Ein schmaler, leise sprechender Intellektueller und spiritueller Lehrer. Bei der nächsten Papstwahl dürfte er zu den „papabile“ zählen. Mit siebzig Jahren ist er in einem Alter, in dem man in der Kurie zur Kategorie „Hoffnungsträger“ zählt.
Nicht so weit entfernt vom Christentum
Weshalb sein Buch nun Öffentlichkeit braucht. Dazu gehört hier zweifellos der betagte Lokalmatador in seinem selbstfahrenden Rollstuhl: Domkapellmeister Georg Ratzinger lächelt mit dunkler Sonnenbrille in die Kameras, derweil Livrierte mit Handschuhen Champagner reichen. Gut fünf Dutzend Gäste sind der Einladung gefolgt und erleben nun den fürstlichen Zeremonialstil zwischen gestern, vorgestern und heute, wie er nur mit entsprechender Entourage gelingen kann – Adel, Kirchenfürsten, Ordinarien, Ordensleute aus aller Welt, Kapläne, eine Weißbierbrauerin, ein ehemaliger Hamburger Verleger.
Einen Hinweis auf Afrika könnte man in den beiden heraldischen Löwen erkennen, die das auf Brokat gestickte Familienwappen zieren, mit dem das Rednerpult verkleidet ist. Sie wenden allerdings die Köpfe ab, als würden sie sich nach Verfolgern umsehen. An dieses Pult tritt nun der Apostolische Protonotar, Prälat Wilhelm Imkamp, eine Art Hausgeistlicher der Fürstin und Direktor des Wallfahrtsortes Maria Vesperbild nahe Günzburg.
Mit einem Rückgriff auf das Jahr 1703, in dem die christliche Missionierung Afrikas begonnen habe, holt Imkamp den Kardinal bei den animistischen Religionen des Kontinents ab, die aber gar nicht so weit vom Christentum entfernt gewesen seien – die Missionare der Spiritaner hätten „nur noch die Tür aufstoßen müssen“. Sarah, den Bauernsohn aus Guinea, porträtiert er als wahren Intellektuellen, „anders als die Jungs vom ,Spiegel‘ oder von der ,Zeit‘“, an die man in Deutschland immer denke, wenn von Intellektuellen die Rede sei.
Obsession abendländischer Kirchen
Imkamp zieht die Lebenslinie Sarahs nach, das Studium an der Gregoriana, am Bibel-Institut, macht deutlich, welche Kompetenzen er aus seiner Zeit im Kampf gegen die Diktatur mitgebracht hat. Geschickt setzt er seine Pointen, formt die Hände mal zu Krallen, dann wieder streichelt er gebückt das Pult. Das Licht der Leselampe fällt von unten auf sein Gesicht, die spiegelnden Brillengläser lassen ihn, halten zu Gnaden, manchmal dämonisch erscheinen. Seine Attacken sind unverblümt: Sarahs Buch sei auch an die deutsche Kirche adressiert, die sehr wohl eine Tochter, eine „filia“ Roms sei, auch wenn sie das gern vergesse, wie Imkamp in Anspielung auf den Satz des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx („Wir sind keine Filialen von Rom“), sagt. Mit „Kirchentags-Appeasement“ sei nichts gewonnen. Zum Finale spendiert er dem geneigten Publikum noch einen Seitenhieb auf das neue Buch des Münchner Kardinals Marx, „Kirche überlebt“, das dieser Tage bei Kösel erschienen ist. Die Luft im Saale ist nun bald verbraucht.