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Islamismus-Kritik : Die Angst, Charlie zu werden

Der deutsch-ägyptische Schriftsteller und Politologe Hamed Abdel-Samad. Bild: dpa

Die Übersetzung war fertig, der Text druckreif. Eigentlich hätte das Buch „Der islamische Faschismus“ von Hamed Abdel-Samad längst in Frankreich erscheinen sollen. Doch die Verlage machten es ihm nicht leicht.

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          Ein paar Tage nach dem Anschlag von Nizza warf der Verleger das Handtuch. Jetzt hätte in Frankreich das Buch „Der islamische Faschismus“ des deutsch-ägyptischen Autors Hamed Abdel-Samad erscheinen sollen. Die Übersetzung war fertig, der Text druckreif. Der Kleinverlag „Editions Piranha“ hatte von Droemer die französischen Rechte noch vor dem Attentat auf „Charlie Hebdo“ erworben, dann aber schnell kalte Füße bekommen. Unter dem Titel „Ist der Islam eine Art Faschismus?“ wollte es Jean-Marc Loubet herausbringen. Der Autor war damit offensichtlich einverstanden. Das geht aus seinem Bericht auf der „Achse des Guten“ hervor.

          Jürg Altwegg
          Freier Autor im Feuilleton.

          Ende Juli teilte er mit, dass Loubet sein Buch überhaupt nicht herausbringen werde: „La France in Trance! Hurra, sie kapitulieren!“ Man kann für diesen Verzicht durchaus Verständnis haben. Jede islamkritische Manifestation muss damit rechnen, von einem zu allem entschlossenen Dschihadisten als „Provokation“ empfunden zu werden. „Je suis Charlie“ habe Loubet noch vor kurzem proklamiert, schreibt Abdel-Samad, der einschlägige Erfahrungen hat: Es gab auch schon Morddrohungen gegen ihn, nach einer Lesung musste er untertauchen.

          Der knallharte Titel bleibt

          Wegen des Verdachts auf „Volksverhetzung“ wurde er von der Polizei verhört. „Heute schreibt er: Ich habe Angst, Charlie zu werden“, zitiert er Loubet, der seinen Rückzug auch damit begründete, dass er den Rechtsextremisten nicht in die Hände arbeiten wolle. Da wird die Kapitulation zur Kollaboration. Die Bereitschaft zu ihr gerade in der Kultur ist ebenso erschreckend wie das intellektuelle Klima, das tatsächlich einer rechtsextremen Hegemonie unterliegt. Doch offensichtlich ist es Droemer schnell gelungen, einen neuen Verlag zu finden – die Attentate haben auch das Potential dieses Buchs deutlich erhöht. Es soll sogar zu einem Wettbieten gekommen sein, bei dem Grasset den Zuschlag bekam.

          Olivier Nora, der mehrere Stars der gesellschaftspolitischen Islamkritik betreut und dem gleichwohl jegliche Sympathien für den französischen Faschismus fremd sind, ist der richtige Verleger für den 1972 in Ägypten geborenen Hamed Abdel-Samad. Mit seinen Fernsehauftritten in der „Deutschland-Safari“ an der Seite von Henryk Broder wurde der Sohn eines Imams einem breiten Publikum bekannt. In Frankreich hat man erst durch die Angst vor seinem Buch von ihm Kenntnis genommen. Grasset hat die Mittel, ihn zu vermitteln und zu schützen. Überstürzen will Nora nichts: Das Vorwort des Autors für die amerikanische Ausgabe soll nochmals aktualisiert werden. Der Erscheinungstermin wird auf das kommende Frühjahr verschoben – wenn es Essays ausländischer Herkunft angesichts der Präsidentschaftswahl eher schwer haben werden. Am knallharten Titel aber will man festhalten: „Le fascisme islamique“.

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