
Hanser-Lektor Wolfgang Matz : Ganzer Leser
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Wolfgang Matz im März 2008 in Zürich Bild: Picture-Alliance
Das Werk von Wolfgang Matz belegt und besticht durch seinen unabgesetzten Umgang mit, der Freude an und der Erkenntnis von Literatur. An seinem letzten offiziellen Arbeitstag geht für den Hanser-Verlag eine Epoche zu Ende.
Die meisten Kalenderblätter folgen nicht dem Arbeitsleben. Hundert Jahre elektrischer Mixer – wer wird das demnächst feiern? Oder hundert Jahre Proust vor Vermeers Delfter Stadtansicht? Wir halten anstatt der Jubiläen von Büchern und Entdeckungen zumeist lieber Geburtstage fest oder gedenken der vor runden Jahren Gestorbenen, als läge irgend ein Sinn darin, dass sie gerade dann und wann geboren wurden oder gestorben sind. Weswegen die große Hungersnot von Bengalen, die Schlacht von Cahul und sogar die Entdeckung Australiens schlechtere Chancen haben, erinnert zu werden, als die Geburt Hölderlins und Hegels, liegt zwar auf der Hand, aber ist trotzdem nicht vernünftig.
Versuchen wir es darum einmal umgekehrt und gratulieren wir zu einem signifikanten Nichtgeburtstag. Vor fünfundzwanzig Jahren wurde Wolfgang Matz, zuvor Lehrer an der Universität von Poitiers, Lektor des Hanser Verlags. An diesem Montag hat er dort, in München, seinen letzten offiziellen Arbeitstag. Damit geht nur für Hanser, aber nicht für uns eine Epoche zu Ende, denn Matz wird ja nicht aufhören zu schreiben. Aber ein Denkmal darf dem Lektor dennoch gesetzt werden. Ob der vollständigen Berufsausfüllung nämlich, die sich hier festhalten lässt.
Matz hat nicht einfach nur Bücher und Autoren betreut. Oft zusammen mit seiner Frau, Elisabeth Edl, hat er daneben einen ganzen Kosmos französischer Literatur übersetzt: Weil, Green, Simenon, Ponge, Gracq, Bonnefoy, Jaccottet, um nur die wichtigsten Autoren zu nennen. Er hat sie kommentiert – man lese nur sein Nachwort zum letzten Roman Julien Greens, „Der Unbekannte“ –, und er hat der französischen Intelligenz seine Abhandlung „Frankreich gegen Frankreich“ gewidmet, eine Geschichte der literarischen und politischen Polarisierung im zwanzigsten und unserem Jahrhundert.
Schließlich hat Matz Bücher vorgelegt, die Standardwerke des Literaturvergleichs sind. Seine Monographie über Adalbert Stifter sowie das Buch über 1857, das Jahr von „Emma Bovary“ des „Nachsommers“ und der „Fleurs du Mal“. Und die augenöffnende Studie über die drei berühmtesten erzählten Ehebrüche: in den Werken Flauberts, Tolstois und Fontanes. Das alles und mehr ist ein Werk des unabgesetzten Umgangs mit, der Freude an und der Erkenntnis von Literatur. Wir danken nicht nur dafür, sondern der Rentenversicherung für die Gelegenheit, uns daran zu erinnern.
