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25 Jahre Textwerkstatt : Berufen zur Literatur

Heimstatt der Textwerkstatt seit 25 Jahren: das Darmstädter John-F.-Kennedy-Haus Bild: Wonge Bergmann

„Auf der Hand liegende Notwendigkeit für diese Stadt“: Mit einer Festveranstaltung im Darmstädter Literaturhaus feiert Kurt Drawerts Textwerkstatt ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag.

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          Das Literaturhaus in Darmstadt ist an diesem Mittwochabend überfüllt. Die Stadt feiert eine Institution (und ein bisschen auch sich selbst): Die Darmstädter Textwerkstatt wird 25 Jahre alt, und ihr größter Förderer ist die Stadt. Nicht zuletzt dadurch, dass sie ihr und der sie flankierenden „Lesebühne“ Räumlichkeiten im zentralen John-F.-Kennedy-Haus zur Verfügung stellt, das auch das Literaturhaus beherbergt. Deshalb findet die „Feierstunde“ der Textwerkstatt, die sich zum Vergnügen der Gäste aufs Doppelte erstrecken wird, hier statt.

          Andreas Platthaus
          Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

          Im Gegensatz zum Kennedy-Haus ist das in dessen Erdgeschoss gelegene Literaturhaus nicht groß – anders als die literarische Be­deutung Darmstadts. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat hier ihren Sitz, (alter) P.E.N. und Deutscher Literaturfonds auch. In der Neuen Künstlerkolonie auf der Rosenhöhe wirkten Kasimir Ed­schmid, Gabriele Wohmann und Karl Krolow – um nur die Berühmtesten zu nennen. Der Büchnerpreis wird hier verliehen, der Kranichsteiner Literaturpreis und der Leonce-und-Lena-Preis. Und dann gibt es eben die Textwerkstatt.

          Mit ihr wurde 1998 die „literarische An­siedlungspolitik“ der Stadt, wie der damalige Oberbürgermeister Peter Benz es bei der Jubiläumsfeier nennt, abgerundet. Seitdem haben rund zweihundert Autorinnen und Autoren daran teilgenommen, alle zu Beginn jeweils noch unbekannt, aber begabt, und Begabung, so formuliert es Kurt Drawert als Ideengeber, Gründer und Leiter der Textwerkstatt, ist immer noch unentbehrlich fürs Schreiben. Drawert vermittelt darüber hinaus in seinen mo­natlich stattfindenden Werkstattgesprächen, auf denen je­weils zwei Teilnehmer ihre Texte zur Diskussion stellen, schriftstellerisches Handwerk und bietet ein Forum, das durch Vertrauen, Harmonie und Rivalitätslosigkeit ge­prägt sein soll. Deshalb preist der aktuelle Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch die Textwerkstatt zum Jubi­läum als „auf der Hand liegende Notwendigkeit“ für seine Stadt. Sie be­treibe die Förderung junger Literatur und ergänze damit das lokale Engagement für die schon eta­blierte.

          Die Idee zur Textwerkstatt passte auf eine Postkarte

          Die Idee dazu passte auf eine Postkarte. Die hatte Kurt Drawert irgendwann an Peter Benz geschickt, nachdem der im Jahr 1989 dem damals noch in Leipzig lebenden Leonce-und-Lena-Preisträger angesichts des anhaltenden Exodus von Schriftstellern aus der DDR angeboten hatte: „Wenn Sie in den Westen gehen wollen, kommen Sie doch nach Darmstadt.“ Gesagt, gewartet und dann doch getan: Drawert hatte bereits nach dem Studium am Leipziger Literaturinstitut Johannes R. Becher eine literarische Werkstatt an der dortigen Universität geschaffen, und deren Kon­zept brachte er dann später nach Darmstadt. Hier waren unter den ersten Teilnehmern heute so prominente Autorinnen wie Ines Geipel und Silke Scheuermann. Das jüngste Topresultat der Arbeit in der Darmstädter Textwerkstatt ist der Debütroman von Elena Fischer, der im kommenden Herbst Spitzentitel im Programm des Diogenes Verlags sein wird.

          Die Feierstunde widmet sich aber nicht nur Vergangenheit und Zukunft, sondern bietet in zwei Programm­blöcken auch Einblick ins aktuelle Geschehen. Denn pünktlich zur Veranstaltung ist die dritte Antho­logie der Textwerkstatt fertig geworden: „Risse und Welt“, erschienen beim Verlag Axel Dielmann. Sina Ahlers, Lisa Goldschmidt, Julia Grinberg und Christian Strauch lesen ihre Beiträge daraus, wobei die aus der Ukraine stammende Grinberg auch noch einen unter dem Eindruck des Kriegs entstandenen erschütternden Text mit dem Titel „An dem Tag, als ich zu meinem Vater wollte“ vorträgt, der zu spät für die Anthologie gekommen war.

          Und mit Gritt Krüger, Miriam Tag und Michael Hüttenberger erzählen drei weitere aktuelle Teilnehmer von ihren Erfahrungen mit der Textwerkstatt. Nun wissen wir, dass Schreibarbeit am Laptop vor allem durch Angstschweiß und Krümel be­droht ist und die Absolventen zwar aus dem gesamten deutschsprachigen Raum stammen, aber in Darmstadt ihre literarische Heimat sehen. Das unterscheidet sie von der 2015 gestorbenen Gabriele Wohmann, die zwar Darmstädterin war, aber jedes Gerede von Heimatstadt ablehnte, wie sich Peter Benz erinnert.

          In Darmstadt stehen bald Bürgermeisterwahlen an; Jochen Partsch tritt nicht mehr an. Ob die Textwerkstatt Herzenssache auch des neuen Amtsinhabers sein wird? Und das Kennedy-Haus wird saniert. Für ein halbes Jahr braucht Kurt Drawert andere Räume. Mal sehen, als wie literarisch Darmstadt sich weiterhin verstehen will.

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