Übersetzer besser bezahlen! : Wenn ich das mal in einen Stundenlohn übersetze
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Wer fremdsprachige Bücher übersetzt, hat nichts vom Gewinn: Blick in eine deutsche Buchhandlung Bild: dpa
Wenigstens ein Inflationsausgleich müsste bei dieser Arbeit doch drin sein: Ein überfälliges Plädoyer für höhere Honorare bei literarischen Übersetzungen.
Als ich kürzlich die Übersetzung des Romans einer malaysischen Autorin aus dem Englischen fertiggestellt hatte und die Rechnung an den Verlag schrieb, stellte ich wieder einmal fest, dass sich meine Übersetzerhonorare für die Normseite mit dreißig Zeilen von jeweils sechzig Anschlägen seit zwanzig Jahren nicht verändert haben.
In diesen zwanzig Jahren habe ich bei jeder Übersetzung einen oder zwei Euro pro Seite mehr gefordert, als der jeweilige Verlag mir ursprünglich zahlen wollte, und jedes Mal gehört, ich befände mich schon am obersten Ende der Skala, und mehr sei beim besten Willen nicht drin. Nur dass dieser Betrag eben seit 2001 der gleiche geblieben ist oder sich bestenfalls um einen Euro erhöht hat. Das Einzige, was im Laufe der Jahre neu dazugekommen ist, ist die Erfolgsbeteiligung, aus der sich aber – was auch daran liegen mag, dass ich zwar Autoren wie Proust oder Paul Bowles übersetzt habe, aber keine Bestseller – nie mehr als zweistellige Summen ergaben.
Nun habe ich mich endlich entschlossen, dem ein wenig nachzugehen, weil es, nicht zuletzt auch aufgrund der momentan galoppierenden Inflation, anfängt, mir komisch vorzukommen. Entweder werde ich unterbezahlt, oder der gesamte Berufsstand der literarischen Übersetzer wird unterbezahlt oder deutlicher: schamlos ausgebeutet.
Zweitausend Seiten Minimum pro Jahr
Ich übersetze aus dem Französischen und Englischen, also zwei gängigen Sprachen, für die es zahlreiche Übersetzer gibt, und ich betreibe es nicht als Hauptberuf. Ich habe in zwanzig Jahren neben meiner sonstigen Arbeit vielleicht zwei Dutzend Bücher übersetzt. Aber wenn ich bei den komplexeren und schwierigeren Texten mein Zeilenhonorar in einen Stundenlohn übersetze, komme ich so eben auf den gesetzlichen Mindestlohn. Und man kann beispielsweise Proust nicht acht Stunden am Stück übersetzen, vorher platzt einem der Kopf.
Von einem Bekannten, der im Hauptberuf als Übersetzer aus dem Englischen arbeitet, weiß ich, dass er jahrein, jahraus rund zweitausend Seiten übersetzen muss, um auf einen Jahresumsatz (wohlgemerkt nicht Verdienst) von 45 000 Euro zu kommen. Wenn solche Mengen nicht auf die Qualität der Arbeit schlagen, dann zumindest auf die Lust an ihr. Bei dem Gedanken, zweitausend Seiten Krimis oder Unterhaltungsliteratur pro Jahr übersetzen zu müssen, um auf ein Bruttoeinkommen von 3800 Euro pro Monat zu kommen, sollte ein jeder seine romantischen Vorstellungen über die schöne, dankbare und verdienstvolle Tätigkeit des Literaturübersetzers überdenken.
Auf der Seite des Berufsverbandes VdÜ ist zu lesen, dass das Normseitenhonorar in den Jahren 2019/2020 bei durchschnittlich 18,73 Euro liegt und damit seit 2001 fast sechzehn Prozent seiner Kaufkraft eingebüßt habe. Wenn ich meine persönlichen Daten vergleiche, sehe ich, dass ein fünfhundertseitiges Taschenbuch von mir im Jahr 1995 siebzehn DM, im Jahr 2020 fünfzehn Euro gekostet hat, also eine Verteuerung von rund hundert Prozent. Bei den gebundenen Büchern ist die Entwicklung im selben Zeitraum etwa gleich: von 25 Mark auf 25 Euro. Selbst wenn man die Angleichungen zwischen Mark und Euro in Anschlag bringt und nur die Entwicklung der Verbraucherpreise seit 2001 nimmt, kommt man auf eine Verteuerung von mehr als dreißig Prozent, wogegen die Bruttolöhne in dieser Zeit sogar um vierzig Prozent gestiegen sind.