Gaston, wie er 2022 aussehen soll: genauso, wie Franquin ihn in den Siebzigern zeichnete. Bild: Dupuis, Dargaud-Lombard, 2022
Gastons Rückkehr : Trubel um den faulen Boten
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Der Verlag möchte den schusseligen Büroboten neue Abenteuer erleben lassen, die Erbin des Zeichners Franquin möchte das nicht: Der Streit um „Gaston“, einer der erfolgreichsten Comicserien der Welt, wird in Brüssel vor Gericht ausgetragen.
Zum hundertsten Geburtstag des Comicverlags Dupuis hat dessen Chef Stéphane Beaujean kürzlich die Rückkehr von Gaston angekündigt: Der kanadische Zeichner Delaf arbeite bereits am 22. Album der Serie, im Oktober werde es in einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren erscheinen, der Vorabdruck in „Spirou“ – jener Dupuis-Zeitschrift, in der Gaston von 1957 an auftrat – starte schon am 6. April. Die Ankündigung von „Le Retour de Lagaffe“ (Die Rückkehr von Lagaffe) sorgte für Trubel, denn Gaston Lagaffe (gaffe bedeutet „Schnitzer“) ist sehr beliebt in Frankreich und Belgien. Was das heißt, zeigen Zahlen: 2021 wurden allein in Frankreich 85 Millionen Comics verkauft, das machte gut ein Viertel aller Buchverkäufe aus; der Umsatz betrug 889 Millionen Euro. „Gaston“ kam bislang auf dreißig Millionen Alben.
Der gutwillige, aber tollpatschige Titelheld arbeitet als Bürobote in einem Verlag (dem Abbild von Dupuis). Energie mobilisiert Gaston nur für ingeniöse Erfindungen: Seine Einfälle, darunter das Brontosaurophon, ein höllisch lautes Musikinstrument, stürzen den Büroalltag samt der Kollegen ins Chaos. Dieses liebenswerte Universum hat André Franquin (1924 bis 1997) zuerst in halb-, von 1966 an in ganzseitigen Episoden entwickelt; seit 1968 widmete er sich ihm nahezu exklusiv. Franquins letzten zwanzig Lebensjahre waren wegen einer Depression allerdings wenig produktiv.
Was zählt der Wunsch des Schöpfers?
Der belgische Zeichner war eine Größe des Comics. Er hat „Spirou und Fantasio“ zu dem gemacht, was diese Serie ist; das daraus hervorgegangene Marsupilami ist seine Schöpfung. Die „Schwarzen Gedanken“ gehören zum Düstersten und Intelligentesten, was Comics zu bieten haben. Deshalb das Aufsehen, als nun von einem neuen Gaston im besten Siebzigerjahre-Stil die Rede war. Umso mehr, als solche Fortsetzungen heikel sind: Während Serien wie „Lucky Luke“, „Corto Maltese“, „Asterix“ oder „Spirou und Fantasio“ erfolgreich und oft anspruchsvoll von neuen Autoren aufgegriffen worden sind, sind andere Projekte wie „Tim und Struppi“ an den Erben der ursprünglichen Schöpfer gescheitert.
Auch Franquins Tochter Isabelle, im Dezember 2021 über die Fortsetzung informiert, hat Einspruch erhoben. Ihr Vater hatte 1986 erklärt: „Wenn ich morgen von einem Bus überfahren werde, möchte ich wirklich, dass Gaston nicht wieder aufgegriffen wird.“ Beaujean hingegen erklärt gegenüber der Zeitschrift „Télérama“: „Dupuis hat heute alle Verlagsrechte, Franquin hat sie in den Neunzigerjahren in einem Vertrag abgetreten, der uns sehr klar erscheint. Umso klarer, als darin Klauseln genannt werden, die damals selten waren, weil Comiczeichner kaum vorausdachten. Diese Klauseln treten absolut alle Rechte an seinen Figuren ab, erlauben Wiederaufnahmen und Fortsetzungen unter der Bedingung einer Kontrolle des Urheberrechts – die seine Tochter heute ausübt.“ Franquin hatte die Rechte 1993 an Marsu Productions abgetreten, einen Verlag, den Dupuis 2013 übernommen hat.
Isabelle Franquin hatte bereits 2012 gegen „Gastoon“ geklagt, ein Comic-Spin-off um Gastons Neffen; man einigte sich damals außergerichtlich. Beim Film „Gaston Lagaffe“ (2018) von Pierre-François Martin-Laval war ihr Widerstand erfolglos. Nun klagt sie gegen das „Plagiat“ von Delaf; die Verhandlung ist für Mai angesetzt, der Vorabdruck gestoppt. Es stellen sich Grundsatzfragen: Einerseits sind Comics wie „Gaston“ Serien, leben also von der Fortsetzung. Andererseits kennt auch der Comic einzigartige Stile. Ist ein exklusives Urheberrecht also sinnvoll? Immer? Das zuständige Brüsseler Gericht wird die Fragen kaum klären können.