UFOs und NS-Mythen : Lasst die Scheiben fliegen
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Vielleicht nicht die eleganteste Variante einer Flugscheibe, aber sie zeigt dafür wünschenswert deutlich die Abkunft vom Lampendeckel. Bild: Science Photo Library
Ufologie mit NS-Hintergrund: Der Historiker Gerhard Wiechmann zeichnet nach, wie zwei Hirngespinste sich zu beständig reproduzierten Geschichten verknüpften.
Sie sind wieder da. Seit einigen Jahren häufen sich die Ufo-Sichtungen wieder, vor allem in den Vereinigten Staaten. Auf der Website des National UFO Reporting Center lassen sich die mitunter erfrischenden Sichtungsreports (inklusive verwackelter Fotos) einsehen. Nicht wenige „Experten“ vermuten hinter den Himmelsphänomenen Geheimwaffen des Militärs. Das amerikanische Repräsentantenhaus will nun ein Meldesystem einrichten, das für etwas mehr Transparenz auf diesem notorisch verschatteten Gebiet sorgen soll. Neu ist all das freilich nicht, weder der extraterrestrische Hype noch die Geheimwaffenthese, und wer es genauer wissen möchte, für den ist nun ein fabelhaft recherchiertes Buch des Oldenburger Historikers Gerhard Wiechmann erschienen.
Schritt für Schritt zeichnet die Studie nach, wie zwei irrsinnige, einander eigentlich ausschließende Phantasmen zueinanderfanden: der Mythos einer von deutschen Ingenieuren mitten im Krieg entwickelten rotierenden Flugscheibe (Hitlers wahrer Wunderwaffe V7) und die Annahme, der Menschheit technisch unendlich überlegene Außerirdische kämen ausgerechnet mit Raumschiffen zu Besuch, die handelsüblichen Petroleumlaternenabdeckungen aufs Haar ähneln – als solche wurde das von dem Ufologen, Science-Fiction-Autor und selbst ernannten Professor George Adamski abgelichtete „Venus-Raumschiff“ nämlich schon in den Sechzigerjahren identifiziert, schreibt Wiechmann.
In geheimer Mission
Der Clou des Buches ist es, nachvollziehbar zu machen, dass gerade die Verdopplung des Wahnsinns zu einem erstaunlich stabilen, von diversen Medien aus nackter Sensationslust beförderten Narrativ geführt hat. Diese Verbindung nämlich erlaubte es, das vermeintliche Ufo-Rätsel zu lösen, ohne auf eine ebenso spektakuläre Theorie verzichten zu müssen. Im Internetzeitalter, prädestiniert für jeden Verschwörungsmurks, haben nun beide Seiten der imaginären Scheiben Konjunktur.
Die grünen Männchen kamen im Juni 1947, gesichtet durch den ehemaligen Major der amerikanischen Marine Donald E. Keyhoe; und den Ursprung der Legende des deutschen Flugkreisels macht Wiechmann in Italien aus, und zwar in der Tageszeitung „Il Giornale d’Italia“, wo rund drei Jahre später der Ingenieur Giuseppe Belluzzo behauptete, bei den weltweit gesichteten Ufos handele es sich um Flugscheiben, die seit 1941 in geheimer Mission in Deutschland gebaut worden seien – und er sei, ganz nebenbei, deren eigentlicher Erfinder.
Die selbst ernannten Ingenieure
Der „Spiegel“, der wenige Tage später diese Information auch in Deutschland publik machte, ließ sich diese frei erfundene Geschichte durch einen Flugkapitän a.D. namens Rudolf Schriever beglaubigen, der in diesem Zusammenhang sich gleich selbst als Erbauer ausgab. So ging es weiter: Eine ganze Reihe von (selbst ernannten) Ingenieuren wollte die Scheiben entwickelt haben. „Die Erfinder der ‚Fliegenden Untertasse‘ – stets will es ein anderer gewesen sein – kommen und gehen“, kommentierte seinerzeit bereits die „Frankfurter Neue Presse“.
Mit jeder Pirouette aber wurde das Nazi-Tech-Narrativ phantastischer. Von Fluggeschwindigkeiten über 4000 km/h war die Rede, bald wurden dem Reichsluftfahrtministerium flugfähige Prototypen angedichtet. Fast immer sind die Pläne und Modelle jedoch bei Kriegsende den Russen in die Hände gefallen. Die nun gesichteten Flugobjekte seien allerdings nicht nur sowjetische Nachbauten, sondern auch amerikanische oder kanadische Prototypen, erbaut mithilfe der ausgewanderten genialen deutschen Konstrukteure.