Rote Bäckchen, dicke Hose?
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Uns ging’s ja noch gold: ein deutsches Familienbild Bild: picture alliance / Bildagentur-online/Blend Images
Die Bezeichnung „Boomer“ ist nicht nett gemeint, und doch liebt der Publizist Thomas E. Schmidt seine Generation irgendwie. „Große Erwartungen“ ist sein Versuch, für dieses Wir einzutreten.
Ist das nun ein Sachbuch, oder ist es eher ein Roman? Der Titel „Große Erwartungen“ zitiert Weltliteratur von Charles Dickens, und auch im Text kommt Thomas E. Schmidt öfter auf literarische Vorbilder zu sprechen, etwa um die Schwierigkeit autobiographischen Schreibens festzustellen und zu behaupten, er halte seine Erfahrungen weder für typisch noch für symbolisch. Aber das kann man kaum glauben, wenn der Buchumschlag eine „Bilanz der Babyboomer“ verspricht.
Die Bezeichnung „Boomer“, von der jüngsten Generation inzwischen oft abwertend verwendet, klingt auch für Schmidt angeblich zweifelhaft, nach „ewig roten Bäckchen und dicker Hose“. Und doch scheint er, Jahrgang 1959, seine Boomer irgendwie zu lieben, auch wenn er sich von den über sie bekannten Klischees abzuheben versucht. Ja, er scheint durchaus wehmütig darüber zu sein, dass diese Boomer nun abtreten: „Wir beginnen zu verstummen, und die Ersten von uns sind schon gestorben.“ Obwohl Schmidt erkennt, dass die Rede vom Wir eine Anmaßung sei („ich schließe all jene aus, die zur selben Zeit wie ich in der DDR aufwuchsen“), obwohl er konzediert, dass sich eine Frau vielleicht anders an die Boomzeit der Bundesrepublik erinnern werde als er, ist sein Buch natürlich der Versuch und auch das Versprechen, trotz allem für dieses Wir einzutreten.
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