Objekte der Weltgeschichte : Vom Faustkeil zum Döner
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Museale Aura im Entstehen: Der bekannte Döner-Imbiss "Mustafas Gemüse Kebap" am Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg. Bild: Picture-Alliance
Stefan Laube hangelt sich in seinem Buch „Der Mensch und seine Dinge“ an Artefakten aus den Staatlichen Berliner Museen durch die Weltgeschichte.
Es bedurfte zweier Briten, der Weltöffentlichkeit eine nachhaltige Lektion in Sachen materieller Kultur zu erteilen. Peter Greenaway kuratierte vor gut drei Jahrzehnten die Ausstellung „100 Objects to Represent the World“. Inspiriert von der Voyager-Mission 1977, versammelte er zum 300. Geburtstag der Akademie der bildenden Künste Wien in deren Räumlichkeiten ein allerdings etwas wahllos erscheinendes Sammelsurium.
Besser machte es Neil MacGregor, der vor elf Jahren im Radioprogramm der BBC die von ihm ersonnene Sendereihe „A History of the World in 100 Objects“ vortrug. Dazu wählte er Artefakte aus dem Bestand des von ihm geleiteten Britischen Museums aus. Durch deren eindringliche Analyse vermochte er wichtige Wegmarken globaler Menschheitsgeschichte plastisch werden zu lassen. Das Spektrum der präsentierten Objekte reichte von der Steinzeit bis ins 21.Jahrhundert. Er publizierte die Sendungstranskripte anschließend in Buchform und erzielte damit einen internationalen Bestseller.
Benin-Bronzen als koloniale Raubkunst benannt
MacGregor schloss sein Buch mit der Aufforderung, seiner Weltgeschichtsvariante weitere an die Seite zu stellen. Die Anregung aufgreifend, nutzte der Kulturwissenschaftler Stefan Laube die Bestände der Staatlichen Berliner Museen für ein eigenes Unterfangen dieser Art. Inspiriert von Greenaway und MacGregor, konzipierte er gleichsam als Fingerübung 2019 ein schmales Bändchen mit zwanzig „Objekten im Duell“. Nun greift Laube das Thema erweiternd und vertiefend abermals auf. Im Unterschied zu MacGregor, der für sein Unternehmen eine illustre Reihe von Mitwirkenden gewinnen konnte, geht er die Sache als Einzelkämpfer an, setzt auch andere Akzente. Jeweils vier Objekte aus den unterschiedlichen Zeitaltern und Weltgegenden konfrontiert er miteinander, um so das Allgemeinmenschliche verschiedener Entwicklungen zu illustrieren. Das funktioniert bei einigen Objekten erstaunlich gut, bei anderen wirkt es etwas gewollt.
Legt man die Bücher von Laube und MacGregor nebeneinander, fallen mehrere Dinge auf. Als Erstes wird einmal mehr deutlich, dass das Britische Museum als Sammlungsinstitution in einer eigenen Liga spielt. Wer zu den Lesern MacGregors gehört, trifft außerdem bei Laube stellenweise alte Bekannte – vom steinzeitlichen Faustkeil bis zu hawaiianischem Federschmuck. Und wo MacGregor die Highlights aus seinem Haus wie die Rosetta-Stele selbstverständlich in seine Betrachtung einbezieht, hält Laube mit Prominenz aus den Berliner Sammlungen dagegen, die Nofretete fehlt ebenso wenig wie der bronzezeitliche Goldhut.
Laube kontrastiert den Kanon der von ihm analysierten Artefakte mit Meisterwerken der Malereigeschichte, hauptsächlich ihrer deutschen Vertreter von Dürer bis Franz Marc. Wie MacGregor rundet er schließlich sein Weltgeschichtskonzept durch Artefakte der Gegenwart ab, deren museale Aura erst gerade im Entstehen ist: bei MacGregor eine Scharia-konforme Kreditkarte und eine Solarleuchte, bei Laube ein Kleid Marke Coco Chanel und der Werbeaufsteller eines großen Döner-Unternehmens.
Der direkte Vergleich verdeutlicht, welch starken Eindruck MacGregors Buch bei Laube hinterließ. Das wird bis in einzelne Formulierungen hinein deutlich. Hie und da hätte man sich straffende und ordnende Eingriffe des Lektorats gewünscht. Doch davon unabhängig legt man das vom Verlag sehr ansprechend gestaltete Buch am Ende mit großem Gewinn an Erkenntnissen und Eindrücken aus der Hand.
Der Vergleich der Bücher von Laube und MacGregor verdeutlicht aber noch etwas anderes. Seit längerer Zeit wird – beispielsweise von dem niederländischen Raubkunst-Experten Jos van Beurden – darauf hingewiesen, dass MacGregor sowohl in seinem Buch als auch während seiner Amtszeit als Direktor des Britischen Museums die problematische Provenienz vieler Artefakte seines Hauses konsequent ausblendete. Laube geht hier einen Schritt weiter und benennt Objekte wie die Benin-Bronzen als koloniale Raubkunst, deren Restitution überfällig ist. Es überzeugt, dass er für die Berliner Bestände in dieser Frage klar Stellung bezieht.