Robert J. Shiller: Finance and the Good Society : Den Kapitalismus mit seinen eigenen Mitteln zähmen
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Robert Shiller ist Professor für Wirtschaft in Yale Bild: Brendan McDermid/REUTERS
Wie man mit finanziellen Anreizen die gesellschaftliche Sinnstiftung vorantreiben kann: Der amerikanische Ökonom Robert J. Shiller geht auf die Occupy-Bewegung zu.
Ihr Kind will irgendetwas mit Wirtschaft studieren? Dann nehmen Sie die Beruhigungspillen, die Ihnen Robert Shiller in seinem Buch über den Nutzen und Nachteil des Finanzkapitalismus für die gute, das heißt gerechte und sinnerfüllte Gesellschaft reicht! Ihr Kind kann Vorstand, Investmentbanker, Finanzberater, Wirtschaftsprüfer, Versicherer, Regulierer, Trader, ja sogar Lobbyist, Anwalt, Wirtschaftsprofessor oder Konstrukteur von Hypotheken-Verbriefungen oder Wertpapier-Derivaten werden - und ein anständiger Mensch bleiben. Shiller ist Professor für Wirtschaft in Yale und hellsichtiger Autor von „Irrationaler Überschwang“, dessen Titel in der Dotcom-Krise zum geflügelten Wort wurde. Im ersten Teil seines jüngsten Buchs bringt uns Shiller den vergessenen oder gar verachteten Nutzen nahe, den mehrheitlich integre Träger der genannten Rollen als Maschinisten der Zivilisation für uns schaffen.
Ein Vorstand verhilft selbst der großen Menschengruppe eines Unternehmens zu strategischem, zweckgerichtetem Handeln, aber wir müssen Fehlanreize wie Aktienoptionen vermeiden, die exzessive Risikoneigung nahelegen. Selbst Investmentbanker, die überteuerte Facebook-Aktien auf den Markt bringen, verkörpern und ermöglichen die Fähigkeit der kapitalistischen Gesellschaft, ständig Neues, Besseres hervorzubringen. Diesen Fortschritt verdanken wir nicht zuletzt einer genialen rechtlichen Erfindung: der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Deren Teilhaber können nicht mehr verlieren als den Kaufpreis für die Anteile.
Die Sinnlosigkeit als eigentliches gesellschaftliches Problem
Das Ergebnis sind hochfliegende unternehmerische Ideen, denen genug überschüssiges Geld zufließt, um in der Wirklichkeit getestet werden zu können. Wertpapierhändler, die Aktien, Terminkontrakte oder Hypothekenverbriefungen kaufen und verkaufen, halten Märkte liquide und am Leben - und ermöglichen die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse. Je differenzierter die Märkte sind, desto besser liefern sie Lösungen für unsere Probleme, etwa Risiken abzusichern. Shiller plädiert für neue Märkte, auf denen sich Derivate für Inflation, das Bruttosozialprodukt, Langlebigkeits- oder Immobilienrisiken handeln lassen. Selbst in den Vereinigten Staaten sei der Abscheu vor solchen „Machinationen“ zur Zeit beträchtlich. Doch die Skeptiker übersähen, dass die Ausweitung der Märkte ihrem Wesen nach ein Weg zur Demokratisierung der Finanzen sei. Sie bringe damit das zentrale Ziel der „Occupy Wallstreet“-Bewegung voran!
Das eigentliche gesellschaftliche Risiko sei die Sinnlosigkeit. Viel Raum widmet Shiller deshalb Problemen der Philanthropie und den finanziellen Anreizen, die eine Gesellschaft setzen kann, um sinnstiftendes, altruistisches Handeln zu fördern. Kapitalistische Institutionen können auf manchmal skurrile Weise auch spirtituelle Bedürfnisse befriedigen und sogar einer Art von Unsterblichkeit nahebringen. Die religiöse Sekte der Shaker lebt heute fast nur noch in Form einer finanziell gut ausgestatteten Stiftung fort. Die Sekte hat ihre Doktrin des Zölibats so erfolgreich angewendet, dass heute Nicht-Shaker die Stiftungsgelder verwalten. Dank kapitalistischer Magie lebt der Glaube an ein zweites Erscheinen Jesu sogar ohne Gläubige fort, auch wenn Manager von außen den missionarischen Eifer vielleicht nicht ganz so weit treiben.