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Richard Wilkinson und Kate Pickett: Gleichheit ist Glück : Es schwankt das Fundament des Glücks

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Warum rentiert sich gesellschaftliche Gleichheit? Richard Wilkinson und Kate Pickett antworten mit einleuchtenden Zahlen.

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          Antike und Mittelalter glaubten noch, das Glück allgemeingültig bestimmen zu können. In der Moderne aber ist das Glück subjektiviert worden, verwandelte sich der Glücksbegriff in eine Sammelbezeichnung für die Befriedigung individueller Präferenzen. Und diese sind zum einen unterschiedlich, zum anderen – auf Grund der strukturellen Knappheit aller Glücksgüter – konfliktuell.

          Deshalb lässt sich auf dem Glück keine Ordnung errichten. Denn jede Ordnung muss der fundamentalen Legitimationsbedingung allgemeiner Zustimmungsfähigkeit genügen. Es ist notwendig, die Glücksebene zu transzendieren und einen unparteilichen Standpunkt einzunehmen, von dem aus nur noch verallgemeinerungsfähige Interessen in den unparteilichen Blick geraten. Die Instabilität eines Glücksfundaments zeigt folgende Überlegung: Geht man von einem gegebenen Verteilungszustand aus, dann können wir annehmen, dass einige mehr haben als andere. Jene, die mehr haben, möchten noch mehr haben, oder zumindest das, was sie haben, behalten; diejenigen, die weniger haben, möchten ebenfalls mehr haben, am besten so viel wie die anderen, Besserverdienenden, Talentierteren und vom Schicksal auch sonst Verwöhnteren.

          Schwankender Boden des Glücks

          Egalisierende Maßnahmen müssen daher notwendigerweise zugleich Glück und Unglück hervorrufen. Denn den Mehrhabenden wird genommen und den Wenighabenden wird gegeben. Da nun ein und dieselbe Egalisierungsaktion den Egalisierungsopfern Unglück, den Egalisierungsnutznießern hingegen Glück bringt, ist es wenig sinnvoll, sich bei sozialstaatlichen Gleichheits- und Ungleichheitsdiskussionen auf den schwankenden Boden des Glücks zu stellen. Nirgendwo steht geschrieben, dass das Glück der Neider, Benachteiligten und Wenighabenden ein größeres moralisches Gewicht besitzt als das der glücklich Besitzenden.

          Wenn nun dem Glück der Habenichtse kein größeres moralisches Gewicht zukommt als dem der Besitzenden, dann – so könnte der Eudämonist argumentieren – bestünde Gerechtigkeit darin, jedem gleiches Glück zu garantieren. So wären Glück, Gerechtigkeit und Gleichheit in einer Formel vereinigt – wie in dem plakativen und leider fehlübersetzten deutschen Titel des hier vorgestellten Buches. Aber dieser Vorschlag taugt nichts. Bereits die Wendung „gleiches Glück“ ist unverständlich, da individuelle Befriedigungszustände nicht vergleichbar sind. Daher macht es auch keinen Sinn, Gerechtigkeit als Glücksgleichheit zu bestimmen.

          Sekt oder Selters

          Wenn wir Glücksgleichheit als Gerechtigkeitskriterium einführen, erhalten wir außerdem Ergebnisse, die mit unseren Gerechtigkeitsvorstellungen kollidieren. In der Literatur spricht man von dem Problem des teuren Geschmacks. Man stelle sich vor, die eine Hälfte der Gesellschaft bestünde aus Seltersmenschen, die andere Hälfte aus Champagnermenschen. Um Champagnermenschen glücklich zu machen, muss weitaus mehr aufgewendet werden als zur Befriedigung der Seltersmenschen. Hier für Gerechtigkeit, für Glücksgleichheit zu sorgen, verlangte also von den Seltersmenschen, den teuren Geschmack der Champagnermenschen zu subventionieren.

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