Gesetze der Physik : Wie gut, dass es so viel Raum im Universum gibt
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Zum Glück sind die Farben hier nicht auch noch geladen wie im Inneren der Kernbausteine. Dort walten die Kräfte verschiedener Farbladungen und verhindern, dass man Quarks je auseinander bekommt, wie Frank Wilczek schon als Student erkannte. Bild: Google
Auf dem Weg zu einem tiefen Verständnis gibt es viel zu verlernen: Der Nobelpreisträger Frank Wilczek erläutert Einsichten und Konzepte der Physik.
Zehn Jahre ist es her, da trat Frank Wilczek in den großen Saal des Brüsseler Rathauses, um der Eröffnung der 25. Solvay-Konferenz beizuwohnen, einem alle drei Jahre stattfindenden Klassentreffen der schlauesten Physiker des Planeten. Nicht alle Teilnehmer waren berechtigt, die goldene Anstecknadel mit dem Konterfei Alfred Nobels zu tragen – eine Miniatur der Medaille, die zu der höchsten Auszeichnung der Branche gehört. Wilczek aber trug das Abzeichen, ebenso ein anderer Forscher. „Sie tragen es ja kopfüber“, rief Wilczek ihm zu und zeigte auf die Nadel, die sich der Kollege verkehrt herum angesteckt hatte. „Ist das eine Art Satanismus?“
Frank Wilczek ist witzig, unprätentiös und auch sonst nicht, wie man sich den typischen Nobelpreisträger vorstellt. Den Preis, auf den viele, die sich darauf Hoffnung machen können, bis lange nach ihrer Emeritierung warten müssen, erhielt der Amerikaner 2004 im Alter von dreiundfünfzig Jahren. Und die Arbeit, für die er geehrt wurde – sie erklärt den Einschluss der Quarks in den Bausteinen der Atomkerne –, hatte er bereits als Student veröffentlicht. Nach dem Nobelpreis landete er noch einmal einen wissenschaftlichen Coup mit seiner Theorie der „Zeitkristalle“, die dann in einer speziellen Form tatsächlich nachgewiesen wurden.
Zeit, Materie und Energie
Legendär ist auch die Geschichte mit der Waschmittelmarke „Axion“. Wilczek sah als Teenager eine Packung davon im Supermarkt und dachte sich, was für ein schöner Name für ein Elementarteilchen das doch wäre. Später erfand er eine Theorie, die ein neues Teilchen postulierte, welchem er dann diesen Namen geben konnte. Heute ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass es diese Axionen wirklich gibt.
Wenn jemand wie Wilczek ein allgemein verständliches Buch über seine Wissenschaft schreibt, sind die Erwartungen groß – und schnell enttäuscht, wenn dann so etwas dabei herauskommt wie „Fundamentals – Die zehn Prinzipien der modernen Physik“, das kaum ein halbes Jahr nach dem Erscheinen des englischen Originals nun auf Deutsch vorliegt. Der Untertitel der Übersetzung führt gleich auf die falsche Spur. Die zehn Kapitel des Buches verhandeln keine Prinzipien in irgendeinem systematischen Sinn, etwa Symmetrien oder das Äquivalenzprinzip, das Albert Einstein seiner Allgemeinen Relativitätstheorie zugrunde legte. Wissenschaftstheoretische Prinzipien kommen zwar vor, aber nur in einem Unterkapitel als Merkmale physikalischer Gesetze. Die ersten fünf von Wilczeks „Keys to reality“, so der originale Untertitel des Buches, sind vielmehr Gliederungspunkte dessen, was er über Raum, Zeit, Materie, Energie und eben das Wesen physikalischer Gesetze festhalten will. Es folgen fünf weitere Kapitel, etwa über den Kosmos und über Komplexität und eins mit der Überschrift „Rätsel bleiben“.
Der Mensch als Mitte zwischen Makro- und Mikrokosmos
Das Ganze ist nicht ausschließlich ein Sammelsurium von Versatzstücken, die in einem populären Sachbuch über physikalische Themen heutzutage vorkommen müssen. Es finden sich immer wieder ausgesprochen originelle Gedanken und Formulierungen („Teilchen sind Avatare von Feldern“) und sehr gute leicht verständliche Erklärungen schwieriger Sachverhalte – vor allem dort, wo Wilczek über sein eigenes Gebiet schreibt, die Theorie der Teilchen und der Quantenfelder, die ihnen zugrunde liegen. Und hier und da blitzt auch Wilczeks Sprachwitz auf. Wenn er etwa erklärt, wie wichtig es für den Fortschritt in der Physik oft ist, Alltagsintuitionen zu überwinden, formuliert Wilczek das so: „Auf dem Weg zu einem tiefen Verständnis gibt es viel zu verlernen ...“