Altern und Verjüngung : Werden wir den Alterungsprozess irgendwann stoppen können?
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Wahrscheinlich schon etwas zu groß für die Unsterblichkeitskonkurrenz, die die viel kleinere Qualle Turritopsis gewinnt: Eine Atlantische Seenessel schleiert durchs Meer. Bild: Science Photo Library
Der Molekularbiologe Nicklas Brendborg durchsucht die Wissenschaft nach Tipps für ein längeres Leben. Dabei lässt er wenig aus, was Medizin, Pharmazie und Ernährungswissenschaften an Anti-Aging-Ideen anzubieten haben.
Der Mann hat leicht reden. Er denkt vorwärts, wenn die meisten seiner Leser schon längst nach hinten blicken. Und er schreibt, wie er denkt, frisch nämlich. Fünfundzwanzig Jahre alt ist Nicklas Brendborg, ein Molekularbiologe aus Kopenhagen, Postdoc und von bemerkenswertem Sprachwitz. Warum nun ausgerechnet dieser blutjunge Autor sich mit dem Thema befasst hat, das wie gemacht zu scheint für alle anderen, nämlich älteren Generationen, das löst sich ziemlich weit hinten in seinem Buch auf. Darauf wird auch hier noch zu kommen sein.
Viel näher liegend allerdings, und das führt zum Titel des Buches, dürfte für viele in seinem Zielpublikum die Frage sein, mit der er in sein Buch einsteigt: Warum eigentlich altern wir immer noch, wenn es doch so viele Beispiele in der Natur gibt, dass das gar nicht nötig wäre. Bis hin zur, nun ja, nennen wir es Unsterblichkeit. Quallen etwa, erklärt Brendborg, altern rückwärts. Biologisch gesehen lässt sich das sicher nicht so verallgemeinern, nicht jede Qualle hat die Fähigkeiten der Gattung Turritopsis, die es fertigbringt, sich bei Hunger irgendwo im Meer festzusetzen und sich ins Polypenstadium zurückzuentwickeln.
Wachsen, Reifen, Regenerieren
Verjüngung wäre also das eigentliche Thema, denn Unsterblichkeit kann auch die bizarrste biologische Schöpfung auf Erden kaum bieten; durch irgendetwas, und sei es durch Unfall, Strahlen oder Feinde, kann jedes Leben vernichtet werden. Selbst dem Planarien-Plattwurm, den man zweiteilen und daraus zwei ganze Individuen erzeugen kann, droht ein Ende oder den Bakterien, die sich als Endosporen in einen ewigen Schlaf versetzen können. Turritopsis immerhin, diese unscheinbare fingernagelgroße Qualle hat ein eingebautes entwicklungsbiologisches Programm, das es jeder Qualle zumindest theoretisch erlaubt, in einen endlosen Zyklus von Wachsen, Reifen, Regenerieren und wieder Wachsen einzutreten. Der Autor vergleicht das mit einem Schmetterling, der wieder zur Larve werden kann.
Dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut, was man in diesem Buch über den biologischen Alterungsprozess und seine (Un-)Vermeidlichkeit lernen kann: dass wir uns bisher leider nur ein ungefähres, manchmal auch naives Bild von ihm machen können – und das trotz des großen Reichtums an Ideen und Forschungen zu diesem Thema. Schön etwa die Beobachtung des Autors, dass der Vergleich der Arten die Intuition bestätigt, wonach größere Tiere im Schnitt älter werden als kleinere, dass allerdings innerhalb einer verwandten Tiergruppe die kleineren Individuen einen Vorteil haben. Sie altern nämlich meistens langsamer, werden somit auch älter, wie die Zwergmaus etwa, die bei etwa gleichwertigen Lebensbedingungen fast doppelt so alt werden kann wie jede gewöhnliche Hausmaus. Was interessanterweise bis hin zu den extrem Hochaltrigen der Gattung Homo zu gelten scheint. Denn nicht nur Jeanne Calment, die mit 122 Jahren als nachweislich bisher ältester Mensch gestorben war, erreicht mit 150 Zentimetern eine unterdurchschnittliche Körpergröße, auch die meisten der anderen weit über Hundertjährigen waren kultur- und kontinentübergreifend klein gewachsen, ohne allerdings die Kriterien der pathologischen Kleinwüchsigkeit zu erfüllen.