Tiere und der Klimawandel : Wombats sind wohl doch keine Altruisten
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Da steht ein Pferd allein auf weiter Flur: In der Nähe der kalifornischen Stadt Gilroy hat ein Feuer im Juli 2020 viel verbrannte Erde hinterlassen. Bild: Picture-Alliance
Nach der Hitzewelle ist vor der Hitzewelle: Die Biologin Lisa Warnecke erklärt, mit welchen Strategien Tiere dem Klimawandel und Buschbränden trotzen.
Wenn es heiß wird, kühlen viele Menschen in industrialisierten Ländern ihre Wohnungen auf eine erträgliche Temperatur herunter. Dass sie damit – bis auf wenige Ausnahmen, bei denen die Klimaanlage mit erneuerbaren Energiequellen betrieben wird – die Erderhitzung noch anfeuern, weil der Vorgang energieintensiv ist und Kohlendioxid freisetzt, tritt in der Abwägung oft zurück.
Hitzewellen, wie 2003 in Europa oder momentan in Nordamerika, bringen den menschlichen Körper an den Rand seiner Funktionsfähigkeit. Doch nicht nur Menschen ohne Klimaanlage sind der Hitze schutzlos ausgeliefert, auch das gesamte Tierreich ist es. Tiere waren schon immer den Naturgewalten ausgesetzt. Nun, im Anthropozän, kommen Menschengewalten dazu – auch in Form von Hitzewellen.
Persönlich Erlebtes und wissenschaftliche Fakten
Darauf richtet die in Australien lebende deutsche Biologin Lisa Warnecke mit ihrem Buch „Tierisch heiß“ das Augenmerk. Auf dem Cover schmiegt sich ein erschöpft wirkender Koala an einen Baum. Messungen mit Wärmekameras haben Warnecke zufolge gezeigt, dass Koalas Wärme an die kühleren Bäume abgeben. Das machen sie nicht mit ihren üblichen Nahrungsbäumen, sondern speziellen Baumarten, bei denen der Effekt besonders gut funktioniert. Diese Taktik ist eines von vielen Beispielen dafür, wie sich Tiere an Hitze anzupassen versuchen. Andere verkriechen sich in unterirdische Baue oder stellen ihren Stoffwechsel so um, dass sie weniger Wasser absondern.
Die große Alternative zu solchen Anpassungen sei die Flucht vor der Hitze. Die Autorin berichtet von Fröschen, die sofort das Weite suchen, wenn man ihnen das Knistern von Feuer vom Tonband vorspielt. Doch wohin, wenn es überall heiß ist? Da Warnecke in Australien lebt, hat sie bei den Bränden Anfang 2020 besonders gutes Anschauungsmaterial bekommen. Sie waren so riesig, dass Millionen von Tieren eine Flucht gar nicht mehr möglich war.
Der Autorin ist spürbar bange
Warnecke mischt persönlich Erlebtes mit wissenschaftlichen Fakten. Dass sie und ihr Ehemann physiologische Phänomene erforschen, sorgt für belastbare Zahlen und Daten und auch dafür, dass manche Mythen, etwa über Wombats, die andere Tiere beim Megafeuer in Sicherheit gebracht haben sollen, enttarnt werden. Zudem hebt die Autorin hervor, dass Hitze und Feuer natürlich nicht ausschließlich Phänomene des menschgemachten Klimawandels, sondern Teil der Natur sind. Dass es in Gestalt des Schwarzen Kiefernprachtkäfers auch in Europa ein Tier gibt, das zur Fortpflanzung verbranntes Holz braucht und sich deshalb gezielt in Richtung Holzrauch bewegt, dürfte auch manchen biologisch informierten Leser überraschen.
Wenn die häufigen Ausrufezeichen am Ende von Sätzen nicht wären, könnte man sagen, dass es Warnecke rundum gelungen ist, ihr Sujet nüchtern zu transportieren. Auch etwas zu viel Kreativität in den Zwischenüberschriften, bei denen Wörter wie „Funkenflug“ zu „FUNKEN FLUG“ werden, hätte nicht sein müssen. Aber das ist zu verkraften, denn dieses Buch erschließt dem Leser einen wichtigen und zugleich wenig beachteten Aspekt der Erderhitzung: ihre physiologische Seite, die direkte und meist brutale Wirkung von Hitze auf Lebewesen.
Stressfaktoren lassen sich kaum gegeneinander ausspielen
Hitzewellen an Land und im Meer werden, wenn wir unseren Ausstoß an Treibhausgasen nicht drastisch reduzieren, für das 21. Jahrhundert und folgende Jahrhunderte prägend werden. Der Autorin ist spürbar bange vor so einer Zukunft. Schon die Hitze allein kann ein gewaltiger Stressfaktor für wildlebende Tiere sein, doch wir muten ihnen noch viel mehr zu: Hauptverantwortlich für den Rückgang an Biodiversität seien „Rodung, Wilderei, Landwirtschaft, Urbanisierung“, schreibt Warnecke. Durch den Habitatverlust würden viele Arten schon ausgestorben sein, bevor sie von den Folgen des Klimawandels direkt betroffen wären.
Doch die Stressfaktoren lassen sich kaum gegeneinander ausspielen, im Gegenteil, sie verstärken sich gegenseitig. Tiere können Hitzewellen zum Beispiel dadurch überstehen, dass sie sich in Feuchtgebieten kühlen oder in höhere Lagen zurückziehen. Doch was, wenn die Sümpfe trockengelegt wurden und der Weg in die Hügel durch Autobahnen und Städte versperrt ist? Physiologischer Spielraum, mit Hitze umzugehen, sei „bei vielen Arten noch vorhanden, doch um diesen auszuschöpfen, benötigen Tiere ein heterogenes Mikroklima und Platz für Wanderbewegungen“. Der Zugang zu Bauten und Nestern, zu Wasserstellen und Schattenplätzen wird Warnecke zufolge immer wichtiger, damit Tiere sich vor Überhitzung schützen könnten. Es ist an der Zeit, Lebensräume von Mensch und Tierwelt auf die Hitzewellen der Zukunft vorzubereiten.
Lisa Warnecke: „Tierisch heiß“. Wie Koala, Elefant und Meise auf die Klimakrise reagieren. Aufbau Verlag, Berlin 2021. 232 S., geb., 22 Euro.