Folgen der Maßlosigkeit : Wenn wir unseren Konsum senken, winkt ein erfüllteres Leben
- -Aktualisiert am
Im Supermarkt gilt: Viel hilft viel. James Suzman hat da so seine Zweifel. Bild: picture alliance / SvenSimon
Es droht der Ruin des Planeten Erde: James Suzman denkt über eine bessere Welt nach und empfiehlt eine Abwendung vom ökonomisch getriebenen Wachstumsstreben.
Die Geschichte, die in diesem Buch von dem Cambridger Sozialanthropologen James Suzman erzählt wird, ist alt. Sie handelt von der Selbstrettung der Menschheit durch Mäßigung. Dabei geht es keineswegs um eine simple Rekapitulation der spätestens seit Aristoteles gängigen Vorstellungen eines maßvollen Lebens als Bedingung seines Gelingens. Suzman argumentiert vielmehr historisch und ethnologisch, dass maßvolles Leben nicht nur möglich sei und dabei keineswegs mit großen Einbußen bezahlt werden müsse, sondern auch größere Entfaltungsräume für menschliche Individualität gebe. Das bedingt in gewisser Hinsicht den narrativen Duktus des Buches, das eine Verfallsgeschichte präsentiert, die um den Komplex der menschlichen Energiegewinnung und Energienutzung, kondensiert im menschlichen Arbeitsverhalten, gruppiert ist. Der deutsche Titel, nach dem es in diesem Buch um eine „andere Geschichte der Menschheit“ gehe, ist deshalb missverständlich. Der englische Originaltitel ist klarer: „Work – A History of how we spend our time“.
Suzmans Befunde sind scheinbar eindeutig. Hätten die älteren und historisch überaus dauerhaften Jäger- und Sammlerkulturen mit recht geringem Aufwand an Arbeit ihren Unterhalt gewährleistet und dabei vergleichsweise egalitäre Sozialstrukturen aufgewiesen, so sei zunächst durch die neolithische Revolution, also den Übergang zur Sesshaftwerdung und zum Ackerbau, und dann durch die Entstehung der modernen Wirtschaft im Zuge der Industriellen Revolution alles anders geworden. Dadurch sei zwar jeweils die wirtschaftliche Produktivität deutlich gestiegen. Doch ebenso haben die Arbeitszeit und die Arbeitsbelastung zugenommen, ohne dass sich Lebenshaltung und Lebensstandard dauerhaft wirklich erhöht hätten. Große Anteile der wachsenden Produktion seien durch die parallel wachsende Bevölkerung geschluckt worden und die möglich gewordene Verstädterung mit einer deutlichen Zunahme der sozialen Ungleichheit verbunden gewesen.
Folgen von modernem Ackerbau und moderner Industrie
Stets hätten zudem Malthusianische Fallen gedroht, also Krisen in Folge von Ernteausfällen, Krankheiten und Kriegen, die die angewachsene Bevölkerung wiederum drastisch reduzierten. Erst die Industrielle Revolution hätte Produktivitätssteigerungen gebracht, die nun auch für große Teile der Bevölkerung Verbesserungen herbeigeführt hätten. Doch die Hoffnung, diese Verbesserungen würden irgendwann zu einer zufriedenen, weniger arbeitswütigen und gelasseneren Menschheit führen, wie sie John Maynard Keynes vor Augen stand, habe sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, die Produktivitätssteigerungen hätten vielmehr einer „Malaise des grenzenlosen Anspruchsdenkens“ zum Sieg verholfen, das nun Gefahr laufe, durch energieintensive Arbeits- und Wachstumsprozesse und eine damit verbundene Zunahme der Bevölkerung den Planeten zu ruinieren.
Womit sich für Suzman eine neue gigantische Malthusianische Falle abzeichnet. Der Ausweg aus ihr liegt für ihn in der Selbstmäßigung, in der Senkung unserer Konsumerwartungen, wodurch nicht nur die ökologischen Herausforderungen bewältigt werden könnten, sondern auch erfüllteres Leben winke. Die letzten Jäger und Sammler der Kalahari sind für ihn ein Beispiel, dass es solche gleichgewichtige und auch langfristig stabile Lebensformen gibt.