Der Sieg, der keiner war
- -Aktualisiert am
Das Zeitalter der Nachahmung des Westens geht zu Ende. In Russland hat man es längst verabschiedet, trotz Dior auf dem Roten Platz. Bild: Getty
Wie der liberale Westen zum Opfer seines Triumphs wurde: Ivan Krastev und Stephen Holmes deuten in ihrem neuen Buch die Ära seit 1989 als eine Zeit, in der die besten Absichten die schlimmsten Folgen hervorbrachten.
Mitten in die Jubiläumsfeiern zu dreißig Jahren Mauerfall und nachfolgende Umstürze platzt eine Irritation, die alle Begriffe, die wir uns von der Welt seither gemacht haben, durcheinanderwirbelt. Dass die frühere Hegemonie und Geschlossenheit des Westens dahin ist, das hat sich schon herumgesprochen. Aber am Geschichtsschema, das diese Hegemonie hervorgebracht hat, wird in Westeuropa für gewöhnlich festgehalten: 1989 gilt nach wie vor als geradezu naturwüchsiges Ereignis, als Triumph der Natur – des dem Menschen zugehörigen Freiheitsverlangens – über die ihr bis dahin auferlegten künstlichen Beschränkungen und zugleich als Vollzug einer historischen Notwendigkeit, die vom dialektischen Materialismus auf den Liberalismus übergegangen war.

Feuilletonkorrespondent in Berlin.
Der bulgarische Politikwissenschaftler Ivan Krastev und sein amerikanischer Kollege Stephen Holmes meinen nun aber, mit einem solchen Schema im Kopf könne man überhaupt nicht begreifen, was zurzeit in der Welt geschieht. Die neue Großtheorie, die sie in ihrem gerade erschienenen Buch „Das Licht, das erlosch“ (Ullstein, 368 Seiten, 26 Euro) vorlegen, irritiert durch eine kleine, aber entscheidende Verschiebung des Blickwinkels. An die Stelle von Natur und Notwendigkeit, die der Geschichte einen Ursprung und ein Ziel geben, setzen sie eine Größe, die von allen politischen oder moralischen Urteilen erst einmal absieht: Nachahmung. Was mit dem Ende der Systemkonkurrenz im Kalten Krieg eingesetzt habe, sei schlicht ein „Zeitalter der Nachahmung“ gewesen, in dem der Osten den Westen zu kopieren versucht habe.
FAZ.NET komplett
: Neu
Zugang zu allen Exklusiv-Artikeln
2,95 € / Woche
- Über 500 F+Artikel pro Monat
- Fundierte Analysen, mehr Hintergründe
- Jederzeit kündbar
F.A.Z. Woche digital
F.A.Z. Woche und F+
3,95 € / Woche
- Das kompakte Nachrichtenmagazin als E-Paper und Edition
- Inklusive F+ FAZ.NET komplett
- Monatlich kündbar
F.A.Z. + F.A.S. – Adventsangebot
Digitale Zeitung und F+
24 Ausgaben für 24 € (-33%)
- F.A.Z. und F.A.S. als E-Paper und Edition
- Inklusive F+ FAZ.NET komplett
- Geschenk fürs weiterlesen
Login für Digital-Abonnenten
Sie haben Zugriff mit Ihrem F+ oder F.A.Z. Digital-Abo