Hitlers Putsch im Jahr 1923 : Von München aus sollte die Demokratie überwunden werden
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Posieren für den Fotografen: Bewaffnete Hitleranhänger machen sich bereit zur Abfahrt in das Zentrum Münchens. Bild: picture alliance / Mary Evans Picture Library
Als der geplante „Marsch auf Berlin“ im Kugelhagel endete: Zwei neue Darstellungen rekapitulieren die existenzielle Dynamik der Ereignisse rund um den gescheiterten Hitlerputsch im November 1923.
Am 13. Dezember 1922 hielt die noch weitgehend auf Bayern begrenzte Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) nicht weniger als zehn Veranstaltungen ab. Ihre Redner hetzten gegen die Republik und ließen an ihrer Entschlossenheit zum Umsturz keinen Zweifel. „Es kommt noch die Zeit, wo alles mit uns marschiert“, prophezeite der Parteivorsitzende Adolf Hitler, denn „die Bewegung entwickelt sich dahin, dass sie einmal kategorisch erklärt: nun endlich Schluss! Die Nationalsozialisten haben den eisernen Willen und werden einen eisernen Besen binden, endlich auszukehren.“ Solche Phrasen stießen bei den zahlreichen Zuhörern auf Zustimmung.
„Tosender Beifall“, vermerkte Joseph Zetlmeier, Polizeireferent im Bayerischen Staatsministerium des Innern, in seinem Bericht, den Max Schmalzl vom Bayerischen Hauptstaatsarchiv aus Anlass des hundertsten Jahrestags des sogenannten Hitlerputsches unlängst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Polizeireferent Zetlmeier ließ es an eindeutigen Warnungen vor den Nationalsozialisten nicht fehlen. Die NSDAP gehe „einer revolutionären Bewegung entgegen“, hielt er fest, und weiter: „Denn wohin soll sie sonst steuern? Parlamentarisch will sie sich nicht betätigen und das Reden allein hat keinen Wert. Die Bewegung ist daher ohne Zweifel eine Gefahr für den Staat, nicht nur für die derzeitige Staatsform, sondern für das Staatswesen überhaupt.“
Diese Warnung wurde damals folgenlos zu den Akten gelegt. Knapp ein Jahr später wollten Adolf Hitler und seine Mitverschwörer die Macht im Staate gewaltsam an sich reißen. Ihr Putsch in München am 8. November 1923, der den Auftakt für einen dem Vorbild der italienischen Faschisten nachempfundenen „Marsch auf Berlin“ bilden sollte, scheiterte allerdings am Tag darauf im Kugelhagel von Landespolizei und Reichswehrverbänden. Das hinderte die Nationalsozialisten später nicht daran, am Jahrestag mit einer pompösen Trauerfeier ihren „Märtyrern“ zu huldigen.
Hitler sah sich zum überstürzten Handeln genötigt
Aus Anlass des hundertsten Jahrestags der Ereignisse besteht an neuen Büchern zum Thema kein Mangel. Während viele eine Gesamtschau auf das Jahr 1923 bieten, in dem sich mit der französischen Ruhrbesetzung und dem anschließenden „Ruhrkampf“, der Hyperinflation und kommunistischen Aufstandsvorbereitungen in Sachsen und Thüringen Krise an Krise reihte, konzentrieren sich zwei Bücher vorrangig auf die politische Entwicklung in Bayern, vom Herbst 1922 bis zum sogenannten Hitlerputsch.

Sven Felix Kellerhoffs „Der Putsch. Hitlers erster Griff nach der Macht“ steht in der Tradition der Arbeiten des „Spiegel“-Journalisten Heinz Höhne, der in den Siebziger- und Achtzigerjahren mit Sachbüchern zur Geschichte des Nationalsozialismus sehr erfolgreich war. Kellerhoff, Redakteur der „Welt“, erzählt lebendig und detailreich. Seine Chronik der Ereignisse ist eine Geschichte von Männern aus der ersten und zweiten Reihe der damaligen Politik, die mitunter den Sog eines Polit-Thrillers entfaltet. Eine Stärke des Buches ist die umfangreiche Auswertung zeitgenössischer deutscher und internationaler Tageszeitungen, mit deren Hilfe Kellerhoff die Atmosphäre der Zeit anschaulich schildert. Allerdings inszeniert er die politischen Ränkespiele in Bayern wie im Reich mitunter im luftleeren Raum. Warum in München der Antisemitismus so stark politisch wirksam wurde oder wie die Gewalt hier, im Ruhrgebiet, Sachsen und anderswo die politische Kultur des Jahres 1923 prägte, hätte stärker herausgearbeitet werden können.