Hellmut Flashar: Aristoteles : Wie liefen die Diskussionen am Lykeion?
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Bild: C.H. Beck Verlag
Die Wirkung dieses Philosophen lässt sich kaum überschätzen: Hellmut Flashar umreißt Leben und Werk des Aristoteles, des Lehrers des Abendlandes.
Hellmut Flashar, emeritierter Gräzist und langjähriger Herausgeber der deutschen Aristoteles-Gesamtausgabe, hat eine gut vierhundert Seiten starke Monographie zu Aristoteles vorgelegt. Sie verdient schon wegen der Person des Autors Beachtung, der mit seinen Schriften zu Aristoteles, zur griechischen Tragödie und zur modernen Inszenierung antiker Dramen sowie durch seine Leistungen als Herausgeber das Erscheinungsbild der Klassischen Philologie in Deutschland für viele Jahrzehnte mit geprägt hat.
Das Buch verdient auch deshalb Beachtung, weil das Format der umfassenden monographischen Darstellungen des griechischen Philosophen weitgehend verschwunden ist. Werner Jaegers epochemachende Studie „Aristoteles. Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung“ von 1923 war noch dem Gedanken verpflichtet, man könne die losen Enden im Denken des Aristoteles durch den Nachweis einer kontinuierlichen philosophischen Entwicklung zu einem einheitlichen Ganzen zusammenführen. Auch die monumentale Studie des schwedischen Gelehrten Ingemar Düring, in deutscher Sprache 1966 unter dem Titel „Aristoteles. Darstellung und Interpretation seines Denkens“ erschienen, war noch von der Bemühung um eine Chronologie der Aristotelischen Schriften geprägt.
Eine Frage des Charakters
Inzwischen ist das Interesse an Fragen der Datierung und Entwicklung des Aristotelischen Werks fast ganz aus der Literatur verschwunden. Die großen Gesamtentwürfe der Aristoteles-Forschung sind einem anderen Genre gewichen: Die heute maßgeblichen Kompendien zu Aristoteles sind das Resultat internationaler Kooperationen von Spezialisten; denn wer heute etwa über Aristotelische Logik forscht, kennt sich nicht unbedingt auch mit dessen Biologie, Ethik oder Dichtungstheorie aus. Die verbliebenen Gesamtdarstellungen, meist im Taschenbuchformat, knüpfen nicht an den Anspruch eines Jäger oder Düring an, sondern entstammen dem universitären Lehrbetrieb und verfolgen das bescheidenere Ziel, prüfungsrelevantes Grundwissen zu vermitteln.
Hellmut Flashar möchte sein Werk sowohl von dem, wie er zu meinen scheint, übertriebenen Spezialistentum als auch von der Problemorientierung philosophischer Darstellungen unterschieden sehen. Flashar verweist im Vorwort darauf, dass er selbst Philologe, als solcher aber nicht an den Datierungsfragen seiner philologischen Vorgänger interessiert sei. Worin könnte dann heutzutage ein genuin philologischer Beitrag zur Würdigung des Aristoteles bestehen? Flashar beantwortet diese Frage dahin gehend, dass er besonderen Wert auf den Charakter der Aristotelischen Schriften sowie auf den Kontext legen will, in dem die philosophischen Probleme auftreten. Dass es grundsätzlich einen Bedarf an einer derart kontextualisierenden Darstellung gibt, leuchtet sofort ein, da die vorherrschende, auf die Analyse einzelner Argumente fokussierte Zugangsweise zu den Philosophen der Antike in der Tat dazu neigt, die geschichtlichen und geistesgeschichtlichen Zusammenhänge aus dem Blick zu verlieren.