Buch über den Bubikopf : Ein Haarschnitt mit revolutionärer Wirkung
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Einflussreiche Bob-Ikone: die amerikanische Schauspielerin Louise Brooks, hier 1928 Bild: Picture-Alliance/United Archives/WHA
Zeichen von Modernität oder kultureller Niedergang? Helga Lüdtke erörtert die Auseinandersetzungen um den Bubikopf in der Weimarer Republik.
Gefällt Ihnen der Bubikopf?“, fragte der Sozialpsychologe Erich Fromm Arbeiter und Angestellte am Ende der Weimarer Republik. Mit seiner empirischen Erhebung wollte er einiges über kulturelle und ästhetische Standards, aber auch im Wandel begriffene Geschlechterrollen in Erfahrung bringen. Der Bubikopf, hielt Fromm als Ergebnis seiner Studie für das Frankfurter Institut für Sozialforschung fest, sei weit verbreitet und werde in der Bevölkerung überwiegend akzeptiert. Diese Frisur, hieß es weiter, bringe weibliche Emanzipationsbestrebungen zum Ausdruck. Sie trage dazu bei, die „konventionelle Unterscheidung zwischen Mann und Frau“, aber auch Generationsunterschiede zu verwischen und traditionelle Konventionen herauszufordern.
So betrachtet, konnte ein Friseurbesuch weit über Geschmacksfragen hinausreichen. Bis heute gilt der „Bubenkopf“, wie er anfangs hieß, als Ikone der Goldenen Zwanziger und Signet der „Neuen Frau“, die selbstbewusst eine gewandelte Lebensweise beanspruchte. Von einfachen Erfolgsgeschichten und Fortschrittserzählungen hält Helga Lüdtke allerdings nicht allzu viel. Sie betont in ihrem Buch, wie mannigfaltig die Motive für den Bubikopf-Schnitt sein konnten. Was in dem einen Fall ein markantes Zeichen der Selbstbestimmung und geschlechterspezifischer Ernsthaftigkeit war, entsprang in dem anderen lediglich einem modischen Trend oder dem spielerischen Wunsch nach Maskerade.
Friseure waren skeptisch
Überhaupt gehört es zu Lüdtkes Anliegen, ein weites Spektrum von Stimmen und Bildern samt Ambivalenzen erkennbar werden zu lassen. Indem sie Geschichte als Collage versteht, will sie Stereotype und Generalisierungen vermeiden und den Variantenreichtum des weiblichen Eigensinns ebenso wie des männlichen Blicks widerspiegeln. Von einer Überhöhung der „Neuen Frau“ als Teil einer von Goldglanz überstrahlten Weimar Culture ist sie weit entfernt.
Die Friseure begegneten dem Trend, der von Paris ausging und dem „Coupe à la Garçonne“ bald auch in Berlin zu Popularität verhalf, zunächst mit Skepsis. Im zentralen Verbandsorgan, der „Deutschen Allgemeinen Friseur-Zeitung“, war zu lesen, der Bubikopf sei eine „Frisur für verlauste Russinnen, nicht aber für eine Dame“ und überhaupt ein „Unglück für unseren Beruf“. Das war allerdings ein Irrtum, sollte das Geschäft mit der Kurzhaarfrisur doch regelrecht aufblühen.
„Ausdruck der ganzen hier vorliegenden Lebenshaltung“
Der Formenvielfalt waren kaum Grenzen gesetzt: Sie reichte von glatt und kurz als markanter „Herrenschnitt“ über die Wellenfrisur einer „Ondulation à la Marcel“ bis zur einzelnen „Schmachtlocke“ über der Wange, dem berühmten „Herrenwinker“. Anhand vielfältiger Quellen – ob Modezeitschriften, Filmplakate oder Notenblattcover, Autobiografien oder private Tagebücher, satirische Verse oder Liedtexte – zeigt Helga Lüdtke, wie viel Aufmerksamkeit eine Frisur auf sich ziehen konnte und wie verschiedenartige Interpretationen an die Chiffre „Bubikopf“ geknüpft wurden.