Familienratgeber : Weg mit den Stilettos!
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Familie, das suggerieren die vielen Ratgeberbücher, ist eine komplexere Angelegenheit als Steuerrecht, Juristerei und Ernährungswissenschaft zusammen. Ein neues Buch will allen geplagten Frauen nun einreden, wie einfach es sei, zur Supermutter zu werden.
Die Ratgeberliteratur verkennt die demographische Lage der Nation: Je weniger Kinder geboren werden, desto schneller vermehren sich die meist bonbonfarben gefassten Anleitungen zum Familiendasein. Oder verhält es sich genau umgekehrt? Dass also, weil immer mehr Bücher von den Herausforderungen des modernen Elterntums erzählen, immer weniger Paare es wagen, Kinder zu bekommen.

Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.
Die meisten Titel sind jedenfalls bestens geeignet, zukünftige Mütter und Väter erschaudern zu lassen: Elternschaft muss ja eine Qual sein, wenn es auf den Buch-Covern heißt: „Überlebenstraining für Eltern und Kinder“ oder „Das Anti-Stress-Programm für die Familie“. Dass Kinder vor allem Nachteile bringen, darauf lassen Titel wie „Karriereknick Kind“ schließen, und dass es mit ihrer Ankunft endgültig vorbei ist mit der Lebensfreude, deuten Bücher an, die „Kleine Nervensägen“ heißen oder „Hilfen für den alltäglichen Wahnsinn“.
Lieber in die Wüste
Wer in Buchhandlungen einen Blick auf die Familienratgeberregale wirft, den müssen die Titel eigentlich derart entmutigen, dass er den Nachwuchs rasch vergisst und lieber die nächste Wüstenwanderung plant: Familie, wollen die vielen Regalmeter beweisen, ist eine komplexere Angelegenheit als Steuerrecht, Juristerei und Ernährungswissenschaft zusammen.
Außerdem scheint klar: Zwar gibt es immer weniger Kinder, aber die bereiten immer mehr Probleme: Was ist schon das Auskundschaften von Steuerschlupflöchern gegen die Kunst, einen Säugling zum Schlafen zu bringen? Das Problem des eigenen Übergewichts verblasst vor der Sorge um ein Kind, das von Koliken geschüttelt wird. Und wie simpel erscheint Karriereplanung gegen die Unwägbarkeiten des deutschen Bildungssystems: Welchem Kindergarten, welcher Privatschule und welchem entwicklungsfördernden Kurs soll man den Nachwuchs anvertrauen?
Stilvolles Überleben
Die endlose Liste der zwischen Buchdeckel gepressten Herausforderungen hat die britische Autorin Grace Saunders nun um einen Aspekt ergänzt: Saunders' Anliegen ist es nämlich, Müttern beizubringen, „stilvoll zu überleben“. Auf zweihundertsiebzig Seiten zeigt sie ihrer Leserin Mittel und Wege, um es auch weiterhin mit den kinderlosen Kolleginnen im Büro aufzunehmen, die chic und ausgeschlafen zum Arbeitsplatz kommen, über makellose Haut verfügen sowie über eine Taille, die in jede Röhrenjeans passt.
Dass es sich bei diesem Vorhaben um eine Schlacht handelt, macht Grace Saunders, selbst Mutter zweier Kinder, in ihrer Wortwahl klar - nicht umsonst bemüht die Britin Militärjargon, spricht von „Generalüberholung“, „Eroberungsschlachten“ oder der „Baden/Breichen/Bettchen-Front“. Und Grace Saunders kämpft tatsächlich an sämtlichen Fronten: Mit gesunder Ernährung und Fitnessübungen sagt sie der postnatalen XXL-Figur den Kampf an, sie gibt Modetipps, um die Speckröllchen zu kaschieren, und auch das „behagliche Zuhause“ will verteidigt sein gegen die Heerscharen von Bauklötzen und piepsenden Robotern.
Alles nur harte Arbeit
Die Bekenntnisse aus dem Leben der Modejournalistin, unterfüttert mit Bemerkungen aus dem Freundeskreis und von „Experten“ sowie do's- und don't-Listen, können Mütter allerdings zur Verzweiflung bringen. Denn während diese versuchen, irgendwie den Tag zu überstehen, lautet der Befehl der Generälin Saunders, dass durchwachte Nächte, Konferenzen im Büro, Termine in der Schule, Kinderfeten, Treffen mit Kunden und „der dritte Versuch in Sachen Sauberkeitserziehung“ für „Supermamas“ kein Problem darstellten. Es bedeutet eben nur harte Arbeit: „Tatsächlich besteht eine der schwierigsten Aufgaben darin, die Mutterschaft nicht nur zu überleben, sondern auf allen Ebenen eine Mama mit Stil zu werden und zu bleiben.“
Kann man über die Ratschläge von Grace Saunders' schottischen Hebammen noch getrost hinweglesen, ebenso über Hinweise, sich in der Apotheke mit Multivitaminpräparaten einzudecken, wandelt sich mit fortschreitender Lektüre vor allem das Bild des Kindes bei Grace Saunders mehr und mehr zum kleinen Monster, das „Ihnen ständig an der Brust klebt“ oder „Ihnen in einem Wutanfall die Haare auszureißen versucht“.
Ihr könnt Supermamas sein
Schlimmer als die Kinder kommt bei Grace Saunders nur die Wöchnerin weg: „Sie stillen Ihr Kind, watscheln immer noch durch die Gegend, ihre Dammnaht schmerzt, und Sie haben 18 Kilo Übergewicht.“ Dem soll man freilich tapfer entgegentreten: „Ihr könnt Supermamas sein, ihr könnt gut aussehen, euch gut fühlen und euer Leben zurückerobern.“
Kinder bedeuten das Ende jeglicher Perfektion. Wer Kinder bekommt, kann gar nicht alles richtig machen, weil sie Chaos hervorrufen, schlaflose Nächte und totale Unvorhersehbarkeit. Stilettos und das passende Tanktop aber sind wirklich nicht die Fragen, die Mütter umtreiben.