: Existenz des Zweifels
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Wer heute gegen poetische Regeln verstoßen will, hat es schwer. Christoph Geiser unternimmt dennoch den dezidierten Versuch; die Gattungsangabe seines jüngsten Buches lautet schlicht: "Ein Regelverstoß". Dieser mäandernde Strom von Gedanken ist Erinnerungs- und Skizzenbuch, zugleich kulturhistorischer ...
Wer heute gegen poetische Regeln verstoßen will, hat es schwer. Christoph Geiser unternimmt dennoch den dezidierten Versuch; die Gattungsangabe seines jüngsten Buches lautet schlicht: "Ein Regelverstoß". Dieser mäandernde Strom von Gedanken ist Erinnerungs- und Skizzenbuch, zugleich kulturhistorischer Essay, autobiographisches Bekenntnis und streckenweise provozierende politische Streitschrift. Vor allem aber ist es ein Buch über Liebe und Kunst, und kunstvoll verschlungen ist auch seine Sprache, die von Wortspielen durchzogen wird. Geiser beschreibt wie schon in früheren Werken detailliert die Freuden der gleichgeschlechtlichen Lust und erkundet verschiedene Formen des Begehrens, wofür er gern den biologischen Begriff der "Appetenz" verwendet. Verbunden sind teilweise sehr persönliche Erinnerungen mit Reflexionen über Politik und Gesellschaft - den Ausbruch der Aids-Epidemie, das Ende des Ostblocks, die Terroranschläge des 11. September 2001. Bei alledem zieht Geiser sein eigenes Lebenskonzept einer poetisch-ästhetischen Existenz immer wieder in Zweifel. Zentral ist für diesen skeptischen Romantiker die Frage, wie nach dem Ende der Utopien die Suche nach dem Absoluten - in der Kunst, in der Liebe, in der Politik - überhaupt noch möglich ist. (Christoph Geiser: "Wenn der Mann im Mond erwacht". Ein Regelverstoß. Ammann Verlag, Zürich 2008. 304 S., geb., 19,90 [Euro].) sdoe