Erwin Panofsky: Korrespondenz. Band 5 : Briefspenden für die Ordensgemeinschaft
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Ein altersmilder König der Kunstgeschichte: Der fünfte Band der Korrespondenz Erwin Panofskys umfasst die Jahre 1962 bis 1968. Er ist zusammen mit dem Rest der Edition eine unglaublich reichhaltige Quelle an Daten und Informationen.
„Die Studenten brennen darauf, Ihnen ihre verehrende Bewunderung zum Ausdruck zu bringen und so wird sich erneut zeigen, dass Ihnen die Jugend der ganzen Welt gehört“ - salbungsvolle Worte des Direktors des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, Ludwig H. Heydenreich, gerichtet an den erwarteten Festredner, an Erwin Panofsky, der 1967 den ersten offiziellen Besuch in Deutschland abstattete, nachdem er das Land 1933 hatte verlassen müssen. Es war eine Art Staatsbesuch; allein das Programm seines Aufenthalts in Köln umfasst zwei Seiten. Gerd von der Osten, der Generaldirektor der Kölner Museen, kündigt ihm für seinen Kölner Vortrag Studenten der Universität Bonn, Bochum und Münster an, ist aber nicht so enthusiastisch, was den Nachwuchs betrifft: „Die junge Generation lohnt sich im Ganzen“, meint er gnädig. Immerhin: „Übrigens auch Dieter Wuttke“ habe sich angemeldet. Dieter Wuttke ist der Herausgeber dieser fünf Bände Korrespondenz und Materialien von Panofsky, deren letzter Band nun nach gut zwanzigjähriger Arbeit vorliegt. Wuttke hat sich mit seinen eigenen Briefen an den verehrten Gelehrten in die Edition eingeschlossen - wie ein Stifter auf einem mittelalterlichen Altargemälde.
Wir sollten damals also zu Panofsky wallfahren, zu dem größten lebenden Kunsthistoriker, dem „Einstein der Kunstgeschichte“. Wir fanden einen kleinen, gnomenhaften Mann mit großen Augen und großer Nase, er sprach das Englische so deutsch, dass ihn jeder verstand - auch in einer Zeit, als Englisch noch nicht zur Lingua franca aufgestiegen war. Er trug aus seinem letzten Forschungsprojekt vor, aus den „Problems in Titian, mostly iconographic“, die auf seinen in den dreißiger Jahren entwickelten inhaltskundlichen Ansatz zurückgingen.
Deutsch per Hand = sehr gut
Das war am 4. Juli. Einen Monat zuvor war Benno Ohnesorg erschossen worden. Ab jetzt würde die junge Generation sich nicht mehr im Ganzen lohnen. Nicht in den Augen all der Ordinarien und Generaldirektoren, welche diesen Band mit ihren Ehrerbietungen füllen. Panofskys Nachfolger auf dem Hamburger Lehrstuhl entleibte sich fast, weil er es versäumt hatte, den Besucher auch noch für einen Vortrag in Hamburg zu gewinnen. Für Panofsky war das sicher alles sehr anstrengend, aber irgendwie auch lohnend, eine späte, eine offizielle Wiedergutmachung, die mit der Aufnahme in den Orden Pour le mérite gekrönt wurde. Dieser Auszeichnung ging ein internes Gerangel voraus: Percy Ernst Schramm, der Ordenskanzler, war nicht so glücklich, einen jüdischen Emigranten aufzunehmen, der vielleicht ablehnen und ihn, den „Privat-Thukydides von Herrn Hitler“ (Panofsky), in Schwierigkeiten bringen könnte. Aber von allen Seiten tönte es unisono: Panofsky hat seinen Frieden mit Deutschland gemacht.
All das liegt so unglaublich weit zurück, dass man sich sogar unwillkürlich fragt, ob es diesen Orden eigentlich noch gibt, bei dessen Jahrestreffen ein Jahr später wir uns von der Polizei wegtragen ließen. Aber natürlich gibt es ihn, und Hans Belting vertritt in ihm die Kunstgeschichte würdig als Nachfolger Panofskys. In einem Brief wird er sehr gelobt, was er nach Meinung des Herausgebers sich später nicht verdient hat: Wuttke wacht nämlich fortlaufend in seinen Kommentaren über die leider weitverbreitete akademische Sportart des „Panofsky bashing“, wie er das nennt, und da musste Belting schon zweimal verwarnt werden. Belting hat Panofsky nicht geschrieben, damit ist er die große Ausnahme, denn wenn wir das richtig sehen, haben ihm sonst alle geschrieben. Alle meine Lehrer und ihre Assistenten zum Beispiel. Ein Brief von Panofsky, das war das Gleiche wie ein Brief von Thomas Mann, eine Geste aus sicherer Ferne und höchster Höhe, fast ein Sakrament. Erst sandte man die eigene Gabe, einen Sonderdruck, dann erfolgte die Antwort: die Verspätung entschuldigend, das kleine Werk lobend, wenn auch die eigene Inkompetenz eingestehend, und das Ganze fein abgestuft: Englisch per Maschine = neutral, Englisch per Hand = gut, Deutsch per Hand = sehr gut. Man fragt sich, warum man das alles lesen soll, geschätzte 200, gefühlte 600 Mal.
Irgendetwas ist da aus dem Ruder gelaufen