David R. Montgomery: Dreck : Diesen Boden wird die Menschheit bald nicht mehr gutmachen können
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David R. Montgomery: „Dreck”. Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert Bild: Oekom Verlag
Wenn Ackererde bloß als billiger Produktionsfaktor in Rechnung gestellt wird: David Montgomery warnt vor dem weltweit drohenden Verlust an kultivierbarem Land.
Als Charles Darwin ein Buch über Regenwürmer veröffentlichte, hielten dies viele für die Schrulle eines alten Mannes. Regenwürmer galten als Schädlinge, die am besten aus dem Boden zu entfernen seien. Darwin behauptete nun, sie pflügten, produzierten neuen Humus und prägten die ganze englische Landschaft. Darwin hatte recht, und heute können wir Regenwürmer beutelweise kaufen, um den heimischen Komposthaufen zu beleben.
Mit einer anderen Schätzung war Darwin allerdings zu optimistisch: Der Boden wächst durch Gesteinsverwitterung und Regenwurmaktivität nicht zwischen 0,2 und 0,5 Zentimeter pro Jahr, es sind nur wenige Zentimeter im Jahrtausend. Boden lässt sich in für den Menschen relevanten Zeiträumen nicht ersetzen, konstatiert der amerikanische Geologe David Montgomery. Dennoch leisten wir uns eine Erosionsrate, die vierzigmal höher liegt als die natürliche Bodenerosion. Neben Klimawandel und Ressourcenknappheit komme hier eine weltweite ökologische Katastrophe auf uns zu, die, anders als die Abholzung der Wälder und die Überfischung der Meere, noch nicht ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen sei. Doch gerade weil sie nicht dramatisch, sondern schleichend daherkomme, werde sie umso verheerender ausfallen.
Weltgeschichte aus der Perspektive der Bodenerosion
Montgomery hat die Augsburger Buchreihe „Stoffgeschichten“ um eine ebenso faszinierende wie erschreckende Weltgeschichte aus der Perspektive der Bodenerosion erweitert. Die allermeisten Kulturen haben den schleichenden Bodenverlust bislang übersehen, bis es zu spät war, berichtet der Autor. Von Mesopotamien über Griechenland und Rom bis zum vom Hunger geplagten Irland des 19. Jahrhunderts und der Dust Bowl, der Staubwüste, in die amerikanische Farmer den mittleren Westen verwandelten, als sie versuchten, auf dem Prärieboden Ackerbau zu betreiben - immer wieder findet Montgomery dasselbe Muster. Die Landwirtschaft beginnt in den fruchtbaren Niederungen, die Bevölkerungsdichte steigt, die Menschen weichen auf die Hanglagen aus, roden, pflügen, und der Boden leidet. Er rutscht die Hänge hinunter - auf Haiti so stark, dass Planierraupen ihn in der Regenzeit von den Straßen schieben müssen, er wird fortgeweht oder ausgelaugt, weil es billiger ist, neues Land zu roden, als altes zu pflegen.
Optimismus wird zur Blauäugigkeit
Der Autor erkennt sogar eine welthistorische Struktur: Kulturen existieren zwischen 800 und 2000 Jahre lang - so lange, wie es durchschnittlich dauert, den fruchtbaren Boden in den gemäßigten Breiten abzutragen. Manche fruchtbaren Flusstäler stellen Ausnahmen dar, die die Regel bestätigen: In Ägypten schaffte es erst der Assuandamm, die Regenerationsfähigkeit des Bodens nachhaltig zu ruinieren.
Heute geht es allerdings nicht mehr um Auswandern und Ausweichen, denn die weltweite Anbaufläche von eineinhalb Milliarden Hektar ist nicht mehr zu steigern. Dennoch geht weiter rasant Boden verloren, durch den Klimawandel, durch Bebauung und durch die industrialisierte Landwirtschaft, für die der Boden nicht mehr ist als ein billiger Produktionsfaktor. Optimisten hoffen, dass die Wissenschaft diese Verknappung schon irgendwie ausgleichen wird, ähnlich wie es im Zuge der Grünen Revolution mit Hochleistungssorten und Stickstoffdünger gelang. Doch dieser Optimismus grenzt an Blauäugigkeit, meint Montgomery.